Mit diesem Henne-Ei-Problem hat sich nun ein Forschungsteam des britischen University College London befasst. Demnach könnte anhaltender Schlafmangel Depressionen in bisher ungeahntem Ausmaß triggern. Und nicht umgekehrt.
Gengesteuertes Verhalten im Fokus
Konkret konnte eine Gruppe um die Epidemiologin Odessa S. Hamilton zeigen, "dass schlechter Schlaf wahrscheinlich depressiven Symptomen vorausgeht und nicht umgekehrt", wie Hamilton in einer Aussendung zur neuen Studie aus dem Fachblatt Translational Psychiatry präzisiert.
Um zu den Erkenntnissen zu gelangen, nutzten die Forschenden genetische und gesundheitsbezogene Langzeitdaten von über 7.000 Menschen. Sie waren im Schnitt 65 Jahre alt. Menschen mit einer stärkeren genetischen Veranlagung zu kurzem Schlaf – also weniger als fünf Stunden pro Nacht – entwickelten eher depressive Symptome. Unterdessen wiesen Menschen mit genetischen Depressionsneigung kein erhöhtes Risiko für kürzeren Schlaf auf.
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Sowohl Schlafdauer als auch Depressionsneigung werden teilweise von einer Generation zur nächsten vererbt. In Zwillingsstudien konnte nachgewiesen werden, dass Depressionen etwa zu rund 35 Prozent vererbbar sind. Bei der Schlafdauer macht das Erbgut 40 Prozent der individuellen Unterschiede in der Bevölkerung aus.
Um ihre Ergebnisse zu untermauern, nahm das Forschungsteam auch Menschen ohne erbliche Vorbelastung ins Visier. Dabei zeigte sich, dass Personen, die nur besagte fünf Stunden oder weniger schliefen, ein mehr als doppelt so hohes Risiko für depressive Symptome hatten. Während das Risiko für einen chronischen Schlafmangel bei Menschen mit bereits existierenden depressiven Beschwerden nur um ein Drittel erhöht war.
Am besten mit Maß schlafen
Ebenfalls nicht unwesentlich: Nicht nur zu wenig, auch zu viel Nachtschlaf kann Niedergeschlagenheit begünstigen, wie die Untersuchung offenbart: Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer, die regelmäßig länger als neun Stunden schlummerten, neigten ebenfalls eher zu depressiver Verstimmtheit.
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Mechanismen künftig besser verstehen
"Suboptimaler Schlaf und Depressionen nehmen mit dem Alter zu", kommentiert Studienmitautor und Verhaltensforscher Andrew Steptoe die Resultate. Angesichts weltweit fortschreitender Bevölkerungsalterung bestehe daher ein wachsender Bedarf, "den Mechanismus, der Depressionen und Schlafmangel miteinander verbindet, besser zu verstehen".
Die Studie lege nun jedenfalls "eine wichtige Grundlage für künftige Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Genetik, Schlaf und depressiven Symptomen".
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