Dauerhafte Probleme
Daridorexant ist gedacht für Erwachsene mit Ein- und/oder Durchschlafstörungen, deren Symptome seit mindestens drei Monaten bestehen und die ihre tägliche Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigen, sagt Michael Saletu, Präsident der Österr. Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung. „Für gelegentliche Schlafstörungen ist es nicht geeignet.“
Der Wirkstoff bindet an den Botenstoff (Neurotransmitter) Orexin. „Dieser regt die Wachheit an“, sagt Saletu. „Daridorexant blockiert die Wirkung von Orexin und lässt somit wieder natürlichen Schlaf zu, wo vorher keiner möglich war.“ Dies ermögliche einen stabileren Schlaf, ohne die Verteilung der Schlafphasen zu verändern.
Högl war bereits vor zwölf Jahren in Innsbruck an einer Studie mit einer Vorgängersubstanz beteiligt: „Das Prinzip der Blockade des Botenstoffs ist nicht neu, in den USA sind bereits mehrere Präparate mit diesem Wirkmechanismus zugelassen.“ Laut Europäischer Arzneimittelagentur haben zwei Studien diese Resultate gezeigt:
Wer über 3 Monate hindurch den Wirkstoff erhielt, schlief etwa 35 Minuten schneller ein als vor der Behandlung, während die Patienten unter Placebo 23 Minuten schneller einschliefen. Die Zeit im Wachzustand nach Einsetzen des Schlafs verkürzte sich im Schnitt um 29 Minuten (unter Placebobehandlung um 11 Minuten).
Als Nebenwirkung können etwa Kopfschmerzen und Schläfrigkeit am Folgetag auftreten. Im Gegensatz zu anderen Wirkstoffgruppen (Benzodiazepine, Z-Substanzen) komme es zu keiner Muskelentspannung, die die Sturzgefahr erhöhen oder etwa eine Schlafapnoe verschlechtern kann, sagt Högl. „Auch auf Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit, wie sie bei anderen Präparaten gerade bei Älteren vorkommen kann, gibt es keine Hinweise.“
Verhaltenstherapie
Die Präsidentin der Weltschlafgesellschaft betont, dass bei chronischer Schlaflosigkeit abgeklärt werden muss, ob nicht eine andere Erkrankung – etwa eine Depression – die Ursache ist. „Ist dies nicht der Fall und steht die Insomnie für sich alleine, kommt an erster Stelle – vor Medikamenten – eine kognitive Verhaltenstherapie.“
Denn von Schlaflosigkeit Betroffene denken ständig über ihren Schlaf nach, machen sich Sorgen, nicht schlafen zu können – und können es auch nicht, weil ihre Gedanken nur um das eine Thema kreisen. „Um gelassen zu werden, braucht es Hilfe von außen, alleine kann man dieses Grübeln nicht durchbrechen.“ Das Problem sei, dass derartige Einzel- und Gruppentherapien nicht österreichweit angeboten werden.
Saletu verweist darauf, dass das neue Präparat in Österreich noch nicht auf Kassenkosten verschreibbar ist. „Derzeit kann es nur mit einem Privatrezept verschrieben und in Deutschland bestellt werden.“ 20 Tabletten kommen auf rund 160 Euro.
Melatonin-Präparate sind für Högl hingegen „keine Schlafmittel“, sondern Chronotherapeutika, die die innere Uhr beeinflussen und vorwiegend zur Behandlung eines Jetlags geeignet sind: „Es gibt Menschen mit höheren und niedrigeren Melatoninspiegeln – was das genau für den Schlaf bedeutet, wissen wir noch nicht. Manchen Menschen hilft Melatonin subjektiv beim Einschlafen, aber das tun Placebos auch. Es spricht nichts dagegen, Melatoninpräparate zu versuchen, aber man sollte sich nicht zu viel erwarten.“
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