Was ein Wunderheiler und inhaftierter Rechtsextremer im EU-Parlament machen
Der älteste ist 83, die jüngste 26, der eine macht Geld mit Wundermitteln, die andere ließ ihren eigenen Vater Geld aus dunklen Quellen in Koffern aus der Wohnung schaffen. Das EU-Parlament ist auch eine bemerkenswerte Typengalerie voll mit oft abenteuerlichen Biografien – und durch die führt dieser nicht immer ganz ernste Spaziergang.
Viktor Uspaskich: Der Wunderheiler
Mit rund 10.000 Euro ist das monatliche Salär eines EU-Parlamentariers eigentlich recht ordentlich. Für den Litauer Viktor Uspaskich bleibt das aber in der Portokasse liegen.
Mit rund 10.000 Euro ist das monatliche Salär eines EU-Parlamentariers eigentlich recht ordentlich. Für den Litauer Viktor Uspaskich bleibt das aber in der Portokasse liegen. Er macht sein Geld unter anderem mit einem Mineralwasser, von dem er verspricht, dass es eine Covid-Erkrankung heilen kann. Das und andere nicht sehr transparente Geschäfte bringen dem russischstämmigen Anhänger dreister Verschwörungstheorien mehrere Millionen jährlich ein. Die steckt er aber zum Teil wiederum in eine Social-Media-Plattform, die genau diese Verschwörungstheorien verbreitet. Im Parlament ist der parteifreie Abgeordnete nicht durch Arbeit aufgefallen, sondern durch offensichtlich falsche Spesenabrechnungen.
Ioannis Lagos: Inhaftiert
Zuhause in Griechenland ist seine Partei „Goldene Morgenröte“ wegen ihrer rechtsextremistischen und offen neonazistischen Umtriebe seit Jahren als kriminelle Organisation verboten.
Seit 2021 sitzt der EU-Parlamentarier also im Gefängnis, nachdem die belgischen Behörden einem Auslieferungsantrag Griechenlands nachgegeben hatten. Seine parlamentarische Immunität wurde zwar aufgehoben, aber als gewählter Mandatar behielt der Grieche sein Mandat samt Gehalt bis zum Schluss.
Nico Semsrott: Unsichtbar
Man soll ja EU-Abgeordnete nicht nur nach der Menge an Papier, die sie mit ihren Anträgen füllen, bemessen, oder nach den Minuten Redezeit im Parlament. Nico Semsrott aber hat in seinen fünf Jahren weder noch produziert. Der deutsche Komödiant und Satiriker wurde gemeinsam mit dem ähnlich gesinnten Spaßvogel Martin Sonneborn für die Spaßfraktion „Die Partei“ ins EU-Parlament gewählt. Dort ist man vor allem durch teils witzigen Aktionismus ausgefallen, aber nicht durch ernsthafte parlamentarische Arbeit. Brav abgestimmt hat Semsrott laut Parlamentsakten, sonst aber hat er kaum von sich hören lassen.
Eva Kaili: Geldkoffer-Trägerin
Einst Mitglied der sozialdemokratischen Fraktion und Vizepräsidentin des EU-Parlaments hat die Griechin diesem Parlament den wohl größten Skandal seit Jahrzehnten eingebrockt.
Es ging um Millionen an mutmaßlichen Schmiergeldzahlungen aus Katar und Marokko. Beide Länder sollen dadurch versucht haben, Einfluss auf wichtige Entscheidungen im Parlament zu nehmen. Als der Fall Ende 2022 aufflog, versuchte die Gruppe rund um Kaili und ihren Ehemann Francesco Giorgi große Mengen Bargeld verschwinden zu lassen. So wurde Kailis Vater von der Polizei dabei überrascht, als er Hunderttausende Euro in Koffern aus der Wohnung seiner Tochter in Brüssel schaffen wollte.
Kaili verlor ihre politische Immunität und musste vier Monate in Untersuchungshaft. Wieder in Freiheit kehrte sie als wilde Abgeordnete ins EU-Parlament zurück und nahm bis zum Schluss in einer der hintersten Reihen an Sitzungen teil. Sie sieht sich als unschuldiges Opfer, ist aber mit ihren Klagen vor Gericht bisher gescheitert.
Claire Daily und Mick Wallace: Russland-Verteidiger
Das schon optisch auffällige Duo aus Irland vertritt eine Partei vom äußersten linken Rand namens „Unabhängige für den Wandel“ und gehört im EU-Parlament zur Fraktion der Linken.
Doch auch dieser Fraktion sind die Haltungen der beiden oft zu extrem. So lehnten sie eine Verurteilung Russland wegen des Angriffs auf die Ukraine ab und machen sich für einen Stopp aller militärischen und zivilen Unterstützung für die Ukraine stark. Israel ist für die beiden ein Produkt des europäischen Kolonialismus und begeht im Gazastreifen Völkermord. Wenig überraschend sind die beiden gern gesehene Gäste im russischen und chinesischen Staatsfernsehen. Dass sie für diese Dienstleistungen auch bezahlt werden sollen, das ist ein bisher nicht bewiesenes Gerücht.
Helmut/Niels Geuking: Erbdemokratie
Für eine betont konservative Kleinpartei namens „Familienpartei“ wurde der Deutsche Helmut Geuking 2019 mit gerade einmal einem Prozent der Stimmen ins EU-Parlament gewählt, da es in Deutschland vorerst keine Prozenthürde wie etwa in Österreich gibt. Dass sich Geuking vor allem für die Rechte der Familien einsetzt, führte der 60-Jährige gleich einmal mit der eigenen vor. Er hat nämlich sein Mandat vor wenigen Monaten kurzerhand per Verzicht Sohn Nico überlassen.
Jerzy Buzek: Unermüdlich
Einst verhandelte er als Premierminister den EU- und NATO-Beitritt seines Heimatlandes Polen. Später war der Liberale nicht nur Präsident des EU-Parlaments, sondern blieb auch danach eine seiner prominentesten Figuren. Vor wenigen Wochen wurde der inzwischen 83-Jährige, der damit der älteste EU-Abgeordnete war, mit Applaus im EU-Parlament verabschiedet. Jetzt geht Buzek endgültig in Pension.
Kira Marie Peter-Hansen: Respekt erkämpft
Als die Dänin als Vertreterin einer linksgrünen Kleinpartei 2019 ins EU-Parlament gewählt wurde, war sie gerade einmal 21 und damit die jüngste EU-Abgeordnete aller Zeiten. Peter-Hansen, die selbst von ihrem Erfolg völlig überrascht war, hatte anfangs mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen. So wurde sie vom Personal des Parlaments regelmäßig zum Eingang für Mitarbeiter geschickt, weil man sie für zu jung für eine Parlamentarierin hielt. Auch zahlreiche schlechte Witze älterer Kollegen musste sie sich gefallen lassen. In fünf Jahren im Parlament aber habe sie sich ihren Respekt schließlich erkämpft, erzählt sie heute nicht ohne Stolz.
Maximilian Krah: Für China zu haben
Als Abgeordneter der rechtsextremen AfD hat sich Krah im EU-Parlament gerne für China starkgemacht. Offensichtlich mit Grund: Einer seiner Mitarbeiter arbeitete auch für den chinesischen Geheimdienst und kassierte Geld, von dem ein Teil mutmaßlich auch an Krah weitergeleitet wurde. Inzwischen ist Krah aus dem AfD-Vorstand geflogen und seine Partei aus ihrer Fraktion im EU-Parlament. Der 47-jährige Sachse aber geht weiter als Spitzenkandidat in die EU-Wahl.
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