Streit um Waldschutz könnte neue EU-Kommission sprengen
Es ist eine der umstrittensten Verordnungen aus dem "Green Deal"-Paket der EU. Jetzt hat das EU-Parlament die EU-Entwaldungsverordnung fürs Erste einmal in die Pause geschickt. Für ein Jahr soll das Gesetz, das ab 2025 eigentlich in Kraft treten sollte, ausgesetzt und auch in entscheidenden Punkten neu überarbeitet werden.
Ein Antrag der Christdemokraten der EVP fordert etwa, dass Länder wie Österreich, in denen der Waldschutz ohnehin streng ist, von den in der Entwaldungsverordnung vorgesehenen Kontrollen ausgenommen werden.
Schutz der Wälder weltweit
Kurz gefasst soll die EUDR garantieren, dass kein Produkt, das auf den Markt kommt, die Zerstörung von Wäldern irgendwo auf der Welt verursacht hat. Das gilt gleichermaßen für Kakao aus Südamerika, Palmöl aus Südostasien, aber eben auch für Rindfleisch, oder Holzpellets aus heimischer Produktion. Dafür muss die Herkunft jedes Baumes, der in einem solchen Pellet landet, bei den zuständigen nationalen Behörden nachgewiesen werden, aber natürlich auch, dass die Rinderweide nicht vorher ein geschützter Wald war.
Zu viel Bürokratie, nicht durchführbar
Das Gesetz sei in seiner bisherigen Fassung schlecht geplant und in der Praxis kaum durchführbar, so die Argumente der EVP, aber auch der Vertreter der heimischen Holzindustrie. "Gut gemeint ist eben nicht gut gemacht", meint etwa Christoph Kulterer, Geschäftsführer des heimischen Holzverarbeiters Hasslacher gegenüber dem KURIER: "Gerade Österreich ist ja ein Musterbeispiel für sinnvollen und nachhaltigen Umgang mit der Ressource Wald." Der Aufwand durch die EUDR sei beträchtlich, allein Hasslacher müsse rund 100.000 Euro jährlich nur für die Erfüllung der Vorschriften veranschlagen: "Die Wirkung und die Kosten stehe in keiner vernünftigen Relation."
"Da müssen sich Behörden darum kümmern, nicht die Unternehmen"
Auch Hasslacher importiert so wie viele andere heimische Holzverarbeiter das Rohmaterial aus dem Ausland. So war die Firma auch lange Zeit in Russland tätig, bis die internationalen Sanktionen diesen Geschäften ein Ende machten. Dass in vielen Ländern, auch innerhalb der EU, wie etwa in Rumänien, Holz illegal geschlägert und geschützte Wälder zerstört würden, ist auch Kulterer bewusst. "Aber da muss auch die EU die nationalen Behörden dieser Länder in die Verantwortung nehmen. Wir Unternehmen können gerne unseren Beitrag zum Waldschutz leisten, aber wenn die Behörden dieser Länder es nicht schaffen, die Schlägerungen zu stoppen, wie sollen wir Unternehmen das schaffen."
Grüne und Umweltschützer warnen vor "Sieg der Lobbyisten"
Ganz anders sehen das naturgemäß Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace, aber auch die Grünen im EU-Parlament. Die Warnungen der EVP vor überbordender Bürokratie und dass jetzt jeder einzelne Baum kontrolliert werde, seien bewusst übertrieben. Es gebe keinen Grund, dieses für den Natur- und Klimaschutz so wichtige Gesetz jetzt abzuschwächen und möglicherweise komplett wirkungslos zu machen.
Der Grüne Thomas Waitz warnt vor einer grundsätzlichen Abkehr von Klima- und Naturschutz: „Wir haben keine Zeit, den Lobbyistinnen und Lobbyisten der Holzindustrie blind zu folgen, während die Klimakrise mit Unwettern und Dürren unsere Ernährungssicherheit bedroht und unsere Dörfer wegschwemmt." Die österreichische Holzindustrie wolle sich aus der Verantwortung stehlen: "Die EU ist ein bedeutender Verbraucher von Rohstoffen im Zusammenhang mit der Entwaldung und Waldzerstörung, denn wir importieren sehr viel Holz aus Drittstaaten.“ Auch der SPÖ-Umweltsprecher im EU-Parlament, Günther Sidl, warnt: „So wird vom Green Deal nicht viel übrig bleiben.“
Eskalation bedroht neue EU-Kommission
Doch der Stopp der Entwaldungsverordnung findet mitten in einer enorm aufgeheizten Atmosphäre in der EU-Politik statt. Zwischen den Christdemokraten der EVP und den Sozialdemokraten ist ein offener Konflikt um die neue EU-Kommission ausgebrochen. Bei der Entscheidung um die wichtigen Posten der Vizepräsidenten in Ursula von der Leyens neuer EU-Kommission blockiert man einander gegenseitig.
Sozialdemokraten und Grüne warnen vor Pakt mit den Rechten
Die EVP hat ihre Mehrheit im EU-Parlament für den Stopp der Entwaldungsverordnung jetzt mit Hilfe der Rechtskonservativen EKR-Fraktion und den noch weiter rechts stehenden "Patrioten für Europa" - die Fraktion der FPÖ - geholt. Für ÖVP-Delegationsleiter Reinhold Lopatka kein Problem: "Wenn wir ein Anliegen haben, dann kann es unterstützt werden, von allen demokratisch gewählten Abgeordneten. Da gibt es keine schönen und hässlichen Stimmen." ist für Grüne und Sozialdemokraten ein Alarmsignal und es werde den Streit um die EU-Kommission noch weiter verschärfen. Mit der Konsequenz, dass die EU noch weitere Woche ohne Führung dasteht. So warnt Andreas Schieder, EU-Abgeordneter der SPÖ, dass sich die EVP ganz offensichtlich auf weitere Zusammenarbeit mit Rechtspopulisten und Rechtsextremen vorbereite: "Wenn die EVP jetzt Politik mit Rechtsaußen macht, dann ist das ein Bruch mit der bisherigen politischen Linie - und es wird den Konflikt um die EU-Kommission verschärfen."
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