Waldschutz, oder nur Papierkrieg? Warum die EU-Entwaldungsverordnung wackelt
Sie ist ein Kernpunkt des Green Deal, also des grünen Prestigeprojekts aus der ersten Amtszeit von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen: Die EU-Entwaldungsverordnung – gemacht zum Schutz der Wälder vor Kahlschlägen und Brandrodungen weltweit. Fällt dieses Prestigeprojekt jetzt gleich zum Auftakt der zweiten Amtszeit Von der Leyens?
In Brüssel verdichten sich seit Wochen die Gerüchte um das Aus – oder zumindest einen vorläufigen Stopp – für die sogenannte EUDR, die eigentlich zu Jahresbeginn 2025 in Kraft treten soll. Forstwirte und Umweltschützer entzweit das Gesetz ohnehin seit Monaten, auch und gerade in Österreich. Von einer„aufwendigen und praxisuntauglichen Bürokratie“ sprechen die heimischen Waldbesitzer.
Kurz gefasst soll die EUDR garantieren, dass kein Produkt, das auf den Markt kommt, die Zerstörung von Wäldern irgendwo auf der Welt verursacht hat. Das gilt gleichermaßen für Kakao aus Südamerika, Palmöl aus Südostasien, aber eben auch für Rindfleisch, oder Holzpellets aus heimischer Produktion. Dafür muss die Herkunft jedes Baumes, der in einem solchen Pellet landet, bei den zuständigen nationalen Behörden nachgewiesen werden, aber natürlich auch, dass die Rinderweide, nicht vorher ein geschützter Wald war .
In einem Land, in dem wie in Österreich die Waldfläche ständig zunimmt und ein strenges Fortschutzgesetz gelte, würden solche Vorschriften vor allem unnötigen Papierkrieg für die Forstwirtschaft bedeuten. Mit diesen Argumenten macht sich auch Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig für einen vorläufigen Stopp der EUDR stark. Man brauche jetzt eine Nachdenkpause, „um unbürokratische und praktikable Lösungen zu finden – gerade für Länder ohne Entwaldungsrisiko wie Österreich.“
Die Verordnung
Die EU-Entwaldungsverordnung EUDR sieht vor, dass für jedes Produkt, das auf den EU-Markt kommt, nachgewiesen werden muss, dass bei der Produktion keine geschützten Wälder gerodet, aber auch keine Wälder geschädigt wurden.
Kritik
Der Nachweis würde für österreichische Forstwirte zu viel Bürokratie bedeuten, die sie nur belasten und den Wald nicht schützen würde, meinen deren Vertreter.
Unterstützung
Heimische Landwirte und Betriebe würden durch die EUDR kaum belastet, da die Nachweise für sie einfach zu machen seien, meint etwa der WWF
330.000 Hektar:
Um so viel hat sich die Waldfläche Österreichs in den letzten 50 Jahren vergrößert. Das aber sei meist auf die Auflassung alpiner Weiden zurückzuführen, meinen Umweltschützer.
„Nicht jeder Baum“
Naturschützer wie etwa der WWF weisen den Vorwurf von zu viel unnötiger Bürokratie zurück. Österreich etwa würde in der EU-Verordnung als Land mit geringem Risiko für Entwaldung eingestuft. Daher müsse kein Waldbesitzer – wie von den Gegnern behauptet – die Herkunft jedes einzelnen Baumes nachweisen. Es gehe um ganze Waldabschnitte und die seien in Österreich ohnehin längst im Detail kartiert und mühelos abrufbar.
EU-Kommission säumig
Doch der politische Druck in Brüssel wächst zunehmend. Hatte sich Österreich gemeinsam mit anderen EU-Ländern schon im Frühjahr 2024 dafür eingesetzt, die EUDR neu zu überdenken, hatten sich Deutschland und dessen grüner Landwirtschaftsminister Cem Özdemir lange zurückgehalten. Jetzt aber fordert auch der eine Verschiebung um mindestens ein halbes Jahr.
Den akuten Auslöser für diese möglicherweise entscheidende Kehrtwende, liefert aber die EU-Kommission selbst. Dort ist man nämlich die genauen Durchführungsbestimmungen für die Verordnung bisher schuldig geblieben. Das aber bestärkt die Gegner, wie etwa den einflussreichen Chef der Europäischen Volkspartei Manfred Weber. „Zahlreiche Firmen, insbesondere
kleine und mittelständische Betriebe, sind nicht in der Lage, die komplexen Elemente der
Verordnung einzuhalten und zu bewältigen“, schreibt er einem offenen Brief an Ursula von der Leyen.
Dass das Zögern der EU-Kommission jetzt ein so wichtiges Gesetz wie die Entwaldungsverordnung ausbremst, ärgert etwa Thomas Waitz, EU-Abgeordneter der österreichischen Grünen. „Das ist die persönliche Verantwortung Von der Leyens“, meint der Steirer, der zu Hause selbst Forstwirtschaft betreibt: „Ich vermute dahinter politisches Taktieren.“
Die Kommissionschefin habe die EU-Wahl und die jetzt fällige Neubesetzung ihrer Kommission hinter sich bringen wollen, ohne sich durch die EUDR Ärger mit ihrer eigenen Volkspartei einzuhandeln. Dass die Forstwirte und viele heimische Betriebe jetzt überfordert, einfach weil sie immer noch nicht wüssten, wie das Gesetz in der Praxis zu handhaben sei, dafür hat auch der Grüne Verständnis. Seine Sorge aber ist, dass hinter diesen Verzögerungen eine viel weiter reichende politische Taktik steht: „Da wollen einige den Schutz der Wälder endgültig zu Fall bringen.“
Kommentare