EU beim Umweltschutz im Retourgang: Grünes Prestigeprojekt vor dem Aus

EU beim Umweltschutz im Retourgang: Grünes Prestigeprojekt vor dem Aus
Mit dem Renaturierungsgesetz steht das Kernstück der grünen EU-Strategie vor dem Aus. Der Druck der Bauern hat gewirkt

Flüssen ihr Ufer zurückgeben, alte Wälder erhalten, trocken gelegte Moore wieder vernässen: Es sind eigentlich selbstverständliche Prinzipien des Naturschutzes, die die EU mit ihrem Renaturierungsgesetz ihren Mitgliedsländern verordnen will. Doch diese Mitgliedsländer, darunter auch Österreich, sind drauf und dran, es in dieser Woche endgültig zu Fall zu bringen.

Feindbild der Bauern

Dramatisches Finale für eines der umstrittensten Projekte der EU unter Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Was als Kernstück ihres Green Deal geplant war, wurde zum Feindbild der Bauern und damit auch ihrer politischen Vertreter, allen voran die Europäischen Volksparteien (EVP), darunter auch die ÖVP. Schon im Vorjahr schmiedete Manfred Weber, Chef der EVP im EU-Parlament, ein Bündnis mit Liberalen und rechtskonservativen Fraktionen, um das Gesetz zu Fall zu bringen.

Schlachtruf der Landwirte

„Lasst die Landwirte arbeiten“, lautete damals der Schlachtruf: Die EU würde den Bauern nur noch ein weiteres Paket an Bürokratie auflasten, die damit noch mehr Zeit am Schreibtisch und weniger im Stall und auf dem Feld verbringen müssten. Das Gesetz sei schlecht formuliert und für den Naturschutz in der Praxis unbrauchbar.

Stark verwässert

Das Gesetz schaffte es trotzdem, wenn auch nur um Haaresbreite, durchs EU-Parlament. In den dann folgenden Verhandlungen mit den EU-Staaten wurde es deutlich abgeschwächt. Abweichend vom ursprünglichen Vorschlag sah der Kompromiss eine Reihe von Ausnahmen vor. So können EU-Staaten etwa das Ziel zur Wiedervernässung von Mooren ignorieren, ohne dass die EU einschreitet. Die Vorgaben für Landwirte sind weit weniger streng. Kommt es zu großflächigen Unwettern, Dürren oder Hochwasser werden die Vorschriften vorübergehend ausgesetzt.

Aufs Wartegleis

Die Bauern hielt das von weiteren Protesten nicht ab und damit blieben auch die Volksparteien bei ihrem Widerstand. In der letzten Runde, die ein neues Gesetz in der EU zu drehen hat, hat man jetzt geschafft es zu stoppen. Aus der eigentlich nur noch formalen Absegnung durch die Vertreter der Mitgliedsstaaten wurde plötzlich ein politischer Stellungskrieg. Um das Gesetz zu retten, wurde die Abstimmung bereits zweimal verschoben. Am Montag wird man es wohl endgültig aufs Wartegleis verschieben.

Gesetze gestrichen

In der ohnehin aufgeheizten Stimmung vor den EU-Wahlen am 9. Juni haben die Bauern mit ihren Protesten die EU-Spitze massiv unter Druck gesetzt. Dort streicht man eine Umweltverordnung nach der anderen, oder entschärft sie durch großzügige Ausnahmen. Der Plan, Europa mit einer gemeinsamen Strategie und für alle geltende Regeln mehr Umwelt- und Klimaschutz zu verordnen, ist nur noch eine weitgehend leere Hülle.

Nationale Lösungen

Für Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer und seine ÖVP ist das eine erfreuliche Entwicklung. „Man kann den Umweltschutz nicht zentralistisch in Brüssel regeln“, meinte Nehammer nach dem EU-Gipfel in der Vorwoche: „Europa hat dafür viel zu unterschiedliche Landschaften und Natur. Man muss die Lösungen vor Ort finden.“ Für die Grünen dagegen, wie etwa den EU-Parlamentarier Thomas Waitz, eine gerade für Österreich völlig unverständliche Haltung: „Naturräume enden ja nicht Staatsgrenzen. Es braucht natürlich gemeinsame Lösungen für Europa.“

Österreich könnte Vorbild sein

Gerade Österreich mit seiner im Vergleich vielfältigen und gut erhaltenen Natur könne da in der EU eine Vorreiterrolle einnehmen. „Österreich erfüllt ja die Vorschriften dieses Gesetzes ohnehin weitgehend. Es gibt keinen Grund, warum gerade wir uns da hinter so einer Kleinstaaterei verschanzen, anstatt als gutes Beispiel voranzugehen.“

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