Bremse für Agrarimporte aus Ukraine: Bauern treiben die EU vor sich her

Bremse für Agrarimporte aus Ukraine: Bauern treiben die EU vor sich her
Europas Bauern treiben mit Protesten die EU vor sich her. Die will im Eilverfahren die Importe von Getreide, Hühnern etc. aus der Ukraine reduzieren.

Die Traktoren rollen - schon wieder. Wenn am Donnerstag Europas Regierungschefs zu ihrem Gipfel in Brüssel zusammenkommen, werden ihnen die protestierenden Bauern auch diesmal den Weg versperren. Der Unmut der Landwirt ebbt nicht ab – und das wenige Monate vor den EU-Wahlen im Juni. Entsprechend hektisch versucht man in Brüssel gegenzusteuern. Vor wenigen Tagen erst hat die EU-Kommission begonnen, wesentliche Regeln für nachhaltige, ökologische Landwirtschaft außer Kraft zu setzen. Im Eiltempo sollen die Änderungen jetzt durchs EU-Parlament gepeitscht und von den 27-Staaten abgesegnet werden. Schließlich will man sie rechtzeitig vor den Wahlen draußen haben.

Stopp für Ukraine-Weizen

Genauso schnell muss es jetzt mir der nächsten einschneidenden Maßnahme gehen: Den neuen Beschränkungen für die seit Monaten überbordenden Importe von landwirtschaftlichen Produkten aus der Ukraine in die EU - und zwar härter umfassender als zuvor.

Märkte aufgemischt

Unmittelbar nach Beginn des russischen Angriffskrieges hatte die EU die bis dahin geltenden Quoten für die Importe der wichtigsten Produkte aufgehoben: Zucker, Hühnerfleisch und Eier. Man wollte damit dem Not leidenden Land rasch neue Einnahmequellen erschließen. Doch die Folgen waren dramatisch. Der Agrarriese Ukraine, der fast die Hälfte seiner Exporte mit landwirtschaftlichen Produkten erzielt, mischte die europäischen Märkte in rasendem Tempo auf. So stiegen etwa die Importe von Zucker aus der Ukraine von 22.000 Tonnen pro Jahr nach der Aufhebung der Quoten auf 400.000 Tonnen, also fast das Zwanzigfache.

Proteste in Osteuropa

Vor allem in den östlichen EU-Ländern, allen voran in Polen, wollte man das nicht hinnehmen, auch weil die wütenden heimischen Bauern auf die Straße gingen. Die Regierung in Warschau, aber auch jene in Rumänien, oder Ungarn, verhängten ihrerseits nationale Importsperren. Ein klarer Bruch mit der gemeinsamen Agrar- und Handelspolitik, Grundpfeiler der EU.

Brüssel zögert lange

In Brüssel reagierte man lange zögerlich. Schließlich hatte man sich ja zur uneingeschränkten Unterstützung der Ukraine bekannt. Doch die Bauernproteste reißen nicht ab. Inzwischen rollen die Traktoren nicht nur friedlich durch die Hauptstädte. Erst vor wenigen Tagen stürmten Unbekannte einen Gütertransport aus der Ukraine. Die Waggons wurden gewaltsam geöffnet, das Getreide auf die Straße geschüttet.

Frankreich macht Druck

In Brüssel sieht man sich zum Handeln gezwungen, vor allem seit der Agrarriese Frankreich ebenfalls den politischen Druck erhöht hat. In der Nacht auf Dienstag hatten die Botschafter der EU-Staaten beschlossen, die Importquoten für die Ukraine wieder einzuführen. Schon Mittwoch früh waren die Verhandlungen mit dem Parlament abgehakt. Jegliche Änderungswünsche, so erfuhr der KURIER von einem Verhandler, würden äußerst missgünstig aufgenommen. Man will keine Zeit verlieren.

Vollgas-Verhandlungen

Jetzt müssen EU-Parlament und die 27 Staaten noch ihren Sanktus geben, dann soll es bis Juni spätestens soweit sein, wenn die derzeit noch geltenden Erleichterungen auslaufen. Doch anstatt die alten Beschränkungen vor dem Krieg wieder einzuführen, will man diese unter dem Druck der Bauern deutlich verschärfen. Jetzt sollen neben Zucker, Hühnerfleisch und Eiern auch zahlreiche andere landwirtschaftliche Produkte strenge Obergrenzen bekommen. Für Weizen, eines der wichtigsten Exportgüter der Ukraine, sollen die Türen zumindest weitgehend offen bleiben. Andere Lebensmittel bis hin zum Honig bekommen strenge Quoten.

Verluste für Ukraine

Für die Ukraine ein schwerer Verlust, ersten Schätzungen zufolge von mehr als einer Milliarde Euro. Einnahmen, die das Land dringend benötigt – und für das die EU früher oder später aufkommen wird. „Ist das der richtige Weg, um den Handel mit der Ukraine zu regeln?“, fragt sich etwa Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses im EU-Parlament. Die Lösungen für die Probleme der europäischen Bauern müsse man innerhalb der EU aufspüren und lösen, mit Importquoten komme man da auf Dauer nicht weiter.

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