Ärger mit der Agrar-Supermacht: EU würgt an Importen aus der Ukraine
Jetzt sind also die Bulgaren dran: In einem offiziellen Schreiben an die EU in Brüssel berichtet die Regierung in Sofia über das „erhebliche Leid“ für Bulgariens Bauern, verursacht durch weitgehend unbeschränkte Importe aus der Ukraine.
"Können nicht mithalten"
Weizen, Raps, oder Sonnenblumenkerne würden die gleichen Produkte bulgarischer Bauern vom Markt verdrängen und so langfristig die „Ernährungssicherheit beeinträchtigen“. Man könne mit den Produkten aus der Ukraine nicht mithalten, auch weil dort die „diversen grünen Standards“, die in der EU verpflichtend seien, nicht gelten würden.
Ein Problem, das nicht nur die Bulgaren beschäftigt. Seit die EU – zur Unterstützung des von Russland überfallenen Landes – die Importgrenzen für ukrainische Agrarprodukte aufgehoben hat, rumort es überall in Europas Landwirtschaft.
In Polen legten Bauern schon im Vorjahr über Wochen den Grenzverkehr mit der Ukraine lahm, weil sie gegen die massiv angestiegenen Importe von Getreide und Mais protestierten. Güter, die in Friedenszeiten für den Nahen Osten und Afrika bestimmt sind, landeten auf den EU-Märkten und lösten einen Preisverfall aus. Die Regierung in Warschau reagierte mit einem Einfuhrstopp: Ein klarer Bruch von geltenden EU-Regeln.
Schließlich einigten sich Polen und die EU-Kommission in Brüssel auf eine kurzfristige Regelung, die den polnischen Markt schützen sollte. Als die auslief, ging der Streit sofort weiter.
Billig-Hühnerfleisch
In den vergangen Wochen sind Rumäniens Bauern auf die Straße gegangen, um gegen die genau gleichen Missstände zu protestieren. In Frankreich ist der Preisverfall für Hühnerfleisch – ein Kilo aus der Ukraine wird um 2,40 Euro angeboten – einer der Gründe für den Unmut der dortigen Bauern, der sich gerade jetzt auf der Straße entlädt.
Die EU-Kommission aber will trotzdem Kurs halten. Schon in den nächsten Tagen will man die Ausnahmeregelungen für die Ukraine und ihre Agrarexporte erneut verlängern, voraussichtlich um ein weiteres Jahr. Zugleich aber versucht man mit den betroffenen EU-Ländern einen Kompromiss zu finden, der die bisherigen negativen Folgen verhindert. Beim Treffen der EU-Agrarminister am Dienstag in Brüssel stand das Thema jedenfalls im Mittelpunkt.
Top-Exporteur
Die Ukraine zählt zu den weltweit größten Exporteuren landwirtschaftlicher Produkte. So ist man etwa bei
Sonnenblumenöl Weltmarktführer und bei Weizen und Mais unter den Top fünf
Schwarze Erde
Hauptgrund für den Ertragsreichtum der ukrainischen Landwirtschaft ist die „Schwarze Erde“, die weltweit als bester Anbauboden gilt
40Prozent
des Getreides, mit dem das Welternährungsprogramm der UNO Not leidende Länder unterstützt, stammen aus der Ukraine. Auch für Länder wie Ägypten, oder die Türkei ist die Ukraine der wichtigste Produzent für Getreide oder Mais
Angst vor Alleingängen
Was Brüssel auf jeden Fall vermeiden will, sind weitere nationale Alleingänge, wie jener Polens, oder auch Ungarns, das ebenfalls Importe aus der Ukraine blockiert hat. Die gemeinsame EU-Agrarpolitik und der europäische Binnenmarkt, beides Grundpfeiler der Union, würden so untergraben.
Suche nach Regeln
Man sucht also intensiv nach Regeln, die zwar der Ukraine weiter den EU-Markt öffnen, aber zugleich dessen Überflutung mit den Produkten des Agrarriesen im Notfall verhindern. Der Kompromiss, der auch von den Agrarministern am Dienstag diskutiert wurde, sieht Notfallmaßnahmen vor, falls die importierten Mengen zu stark ansteigen, oder die Preise abstürzen.
Hilfe für Nachbarstaaten
EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis spricht von „länderspezifischen Maßnahmen“, mit denen Brüssel vor allem den Nachbarstaaten der Ukraine helfen könne. Die Auswirkungen der Ukraine-Importe auf die EU-Staaten seien ganz unterschiedlich, der gesamte EU-Markt sei jedenfalls kaum belastet.
Auch Österreich hat in den vergangenen Monaten die betroffenen EU-Staaten politisch unterstützt. Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig betonte vor dem aktuellen Treffen in Brüssel, dass die EU-Kommission sicherstellen müsse, „dass es keine Verwerfungen auf dem EU-Binnenmarkt gibt“.
Es brauche erweiterte Sicherheitsklauseln, damit man notfalls korrigierend eingreifen kann, „wenn es bei besonders sensiblen Produkten wie Zucker, oder Eier zu erhöhten Importen kommt.“ Natürlich gebe es durch die Güter aus der Ukraine einen „erhöhten Wettbewerbsdruck“, aber gerade in Österreich habe der in letzter Zeit spürbar nachgelassen. Die Transportrouten aus der Ukraine in die traditionellen Zielländer, etwa im Nahen Osten und Nordafrika, würden offensichtlich besser funktionieren.
Doch allein die Größe, etwa der ukrainischen Geflügelmäster, und die niedrigeren Produktionsstandards machen sie zu einer fast übermächtigen Konkurrenz. Sie spielen, wie ein Branchen-Insider kürzlich meinte, in einer „anderen Gewichtsklasse.“
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