EU-Finanzgipfel endet ohne Einigung

EU-Finanzgipfel endet ohne Einigung
Verhandlungen über mehrjährigen Finanzrahmen scheitern an Merkel und Cameron

Die Machtverhältnisse in Europa haben sich verschoben: Erstmals seit 25 Jahren gab es bei einem Budget-Gipfel der EU keine gemeinsame Position von Deutschland und Frankreich. Stattdessen funktionierte die Achse Berlin-London – und verhinderte eine rasche Einigung über den Mehrjährigen EU-Finanzrahmen 2014-2020. Noch bevor es in die „heiße Phase“ der Verhandlungen ging, war der Gipfel Freitag Nachmittag vorbei – auf Druck der „Veto-Keulen-Schwinger“, wie die Gruppe der eisernen Sparer am Gipfel in Diplomatenkreisen getauft wurde. Hinter Deutschland und Großbritannien hatten sich auch die Niederlande, Schweden, Dänemark und Finnland versammelt.

Veto-Keulen-Schwinger

Briten-Premier David Cameron verlangte weitere Kürzungen um 30 Milliarden Euro. Während andere schon mit einem Budget ohne die Briten drohten, versuchte Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel, die Briten am Tisch zu halten. „Es gibt keinen Grund, das über das Knie zu brechen“, sagte sie.
„Wer mit der Veto-Keule in der Hand spazieren geht, tut der Sache nichts Gutes“, sagte Bundeskanzler Werner Faymann nach dem Gipfel. „Die Diskussion war auch konstruktiv, aber die Standpunkte sind noch zu weit auseinander“, so Faymann. Ratspräsident Herman Van Rompuy wird auf Basis der Gipfel-Gespräche einen neuen Budget-Entwurf erarbeiten müssen und auch die bilateralen Verhandlungen weiterführen . Sobald eine Einigung in Reichweite scheint, soll es Anfang 2013 den nächsten Gipfel geben.

Erfolg bei Agrar-Budget

Nur eines sei laut Faymann bereits mehr oder weniger fix: Dass es im Agrar-Bereich keine weiteren Kürzungen geben darf, stehe „außer Streit“. Hier soll es bei jenem Vorschlag bleiben, den Van Rompuy in der Nacht auf Freitag unterbreitete: Demnach wird bei Österreichs Landwirtschaft um 880 Millionen weniger gekürzt als geplant, darunter 700 Millionen, die für die ländliche Entwicklung erhalten bleiben sollen – ein Erfolg für Österreich.
Faymann will in den weiteren Verhandlungen noch mehr herausholen und Mittel aus der Regionalpolitik oder aus dem Fonds für grenzüberschreitende Projekte für den ländlichen Raum einsetzen. Die Mitgliedsländer sollen künftig mehr Flexibilität bei der Verwendung von EU-Fördergeldern haben.

Gefahr Provisorium

Über die umstrittenen Rabatte wurde noch gar nicht ernsthaft verhandelt. Nach aktuellem Stand bliebe der Briten-Rabatt erhalten, Österreich würde seinen Rabatt verlieren, Deutschland, Schweden und die Niederlande bekämen neu berechnete Pauschalsummen. Faymann bestätigte, dass bei mancher Vetodrohung das Argument mitschwang: „Wenn wir uns nicht einigen, kann es ja auch jährliche Budgets geben.“ Das könne keine Lösung sein, sagte Faymann. Auch eine Fortschreibung auf Basis des Budgets 2013, das es – nebenbei gesagt – noch nicht einmal gibt, wäre schlecht: „Ein Provisorium wäre eine Verschlechterung für alle. Je mehr Sicherheit, desto besser.“

EU in Lager gespalten

Veto-Keulenschwinger Großbritannien, Schweden, die Niederlande, Dänemark, Finnland und auch Deutschland.

Allianz der Vernünftigen Österreich, Italien, Belgien, Luxemburg, Polen.

Freunde der Kohäsion (gegen Kürzungen der Regionalförderung) 15 Staaten, viele Osteuropäer, Spanien, Zypern.

EU-Finanzgipfel endet ohne Einigung

Nicht nur EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy , Kommissionspräsident José Manuel Barroso und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, auch Bundeskanzler Werner Faymann wird am 10. Dezember 2012 zur Verleihung des Friedensnobelpreises an die Europäische Union nach Oslo reisen. Bei der Gelegenheit plant er auch, den norwegischen Ministerpräsidenten Jens Stoltenberg zu treffen. Insgesamt haben sich bisher rund ein Dutzend EU-Regierungschefs für die Reise nach Oslo angemeldet. Briten-Premier David Cameron war der Erste, der abgesagt hat. Mit dem europäischen Friedensprojekt will er nichts zu tun haben.

Am Rande des Gipfels wurde der lange Streit um den vakanten Posten im Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB) entschieden: Gegen Spaniens Widerstand wurde der Luxemburger Geldpolitiker Yves Mersch in das EZB-Direktorium berufen. Mersch wird Nachfolger des Spaniers José Manuel González-Paramo. Das Europa-Parlament hatte vergeblich dazu aufgefordert, eine Frau in das von Männern dominierte Führungsgremium aufzunehmen (mehr dazu hier).

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