Werner Faymann als einsamer Europäer

Der Kanzler als Kämpfer für europäische Lösungen? Das kommt für viele überraschend. Aber es tut gut.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Das war kein Europa-Gipfel, das war ein Klassentreffen von verkappten Nationalisten.

von Dr. Helmut Brandstätter

über den EU-Finanzgipfel

Das war kein Europa-Gipfel, das war ein Klassentreffen von verkappten Nationalisten. Von David Cameron, dem schwächsten Premierminister seit Menschengedenken, hat man nichts anderes erwartet, als Verbeugungsübungen vor den rabiaten Londoner Boulevardzeitungen. Aber Angela Merkel, die zu Hause keine Anti-EU-Opposition hat, ist zu europäischen Initiativen auch nicht in der Lage, und François Hollande hat sich bisher weder im Elysée-Palast noch im Kreis der EU-Granden zurechtgefunden.

Ausgerechnet der österreichische Bundeskanzler war der Einzige, der schon im Vorfeld des Gipfels von europäischen Initiativen gesprochen hat. Jetzt kann man sich natürlich über Werner Faymann lustig machen und ihm seinen in der Tat unsinnigen Brief an die Krone hämisch unter die Nase halten, wie das die ÖVP im Moment tut. Aber der Brief ist vier Jahre alt, und hilfreicher wäre es, über seinen Vorschlag zu diskutieren.

Faymann hat in einem KURIER-Interview klar gesagt, wie man den Streit um die Rabatte schnell beenden könnte: Alle verzichten auf die Rückzahlungen aus Brüssel, dafür wird ein europäisches Programm für Jugendliche ohne Ausbildung und ohne Arbeit organisiert.

Europa als Hoffnungsträger

Das muss man sich einmal vorstellen: Das alte Europa würde mitten in einer Schulden- und Sinnkrise neun Milliarden Euro dafür ausgeben, dass junge Menschen zwischen Kopenhagen und Kreta Chancen bekommen, von denen sie im Moment nur träumen können. Das macht ja die eigentliche Europa-Krise aus: eine Kaste von Politikern, die mit Scheuklappen, aber ohne jegliche Perspektive von Leibwächtern durch Brüssel eskortiert werden. Es gehört Mut dazu, wenn Bundeskanzler Faymann nicht sofort Rabatte für sein Land, sondern eine europäische Initiative für junge Leute fordert. Aber Innenpolitik ist überall nur ein Sandkasten für selbstverliebte Erwachsene, also kann er in Österreich keine ernsthafte Diskussion fürseinen Vorschlag erwarten.

Den Regierungschefs fehlt der historische Zusammenhang. Als Maggie Thatcher beim Gipfel in Fontainebleau im Jahr 1984 ihre Partner mit dem lauten "I want my money back" nervte, gab es einen deutschen Kanzler Kohl, der noch ohne die finanziellen Belastungen der deutschen Einheit mit Geld für Frieden sorgen konnte. Außerdem wollte er den Beitritt von Spanien und Portugal nicht gefährden, der knapp vor dem Abschluss stand und den Deutschen neue Exportchancen sicherte.

Chancen für Wachstum gibt es auch heute. Österreichische Unternehmen sind gerade in den jüngeren EU-Mitgliedsländern erfolgreich, weil es dort Geld aus Brüssel gibt. Der Slogan „Unser Geld für unsere Leut'“ stimmt ja, aber nicht so kleinkariert, wie ihn die FPÖ ausspricht. Geld, das wir nach Brüssel überweisen, geht zum Teil an unsere Firmen in Osteuropa. Wer an die Exportkraft unserer Wirtschaft glaubt, wird Europa brauchen.

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