Warum es beim EU-China-Gipfel um viel geht und wenig herauskommt

Eigentlich sollte der diesjährige EU-China-Gipfel ein Festakt werden, doch nun dürfte er in eisiger Atmosphäre wortkarg ausfallen. Zum 50. Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen China und der EU sind die Beziehungen an einem heiklen Punkt angelangt und von tiefem Misstrauen geprägt.
In dieser Atmosphäre treffen Europas und Chinas Regierungsspitzen am Donnerstag in Peking aufeinander. Warum man in Brüssel schon zufrieden wäre, wenn es zu keiner Eskalation kommt und warum Peking derzeit ohnehin meint, auf dem längeren Ast zu sitzen:
Die Ausgangslage
Es ist in jeder Hinsicht ein außergewöhnlicher Termin: Eigentlich war die EU an der Reihe, den Jubiläumsgipfel in Brüssel auszutragen – doch Xi Jinping schlug die Einladung im Frühjahr aus. Ein typisches Machtspiel. Um überhaupt die Möglichkeit für ein Gespräch zu bekommen, reisen Europas Vertreter nun nach Peking.
EU-China-Gipfel
1998 etablierten die EU und China ein jährliches Gipfeltreffen, das abwechselnd in Brüssel und Peking stattfinden sollte.
Schlechte Stimmung
Doch die Beziehungen sind angespannt, seit 2020 gab es nur drei EU-China-Gipfel, sie alle endeten ohne gemeinsame Abschlusserklärung. 2020 stritt man u. a. über Chinas Umgang mit der Covid-Pandemie, 2022 über Russlands Invasion in der Ukraine, 2023 über Chinas geförderte E-Auto-Industrie.
EU-Spitze muss nach China
Dieses Jahr hätte man 50 Jahre gegenseitiger Beziehungen feiern wollen – in Brüssel. Doch Xi Jinping schlug die Einladung aus, also kommen die EU-Vertreter nun für einen einzigen Tag nach Peking.
Typischerweise finden vor einem EU-China-Gipfel drei vorbereitende Treffen statt; diesmal gab es nur ein äußerst raues Gespräch zwischen der EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas und Chinas Außenminister Wang Yi in Brüssel. China halbierte die Dauer des Gipfels im Anschluss von zwei Tagen auf einen Tag. Die Erwartungen sind also äußerst niedrig.

Führen die EU-Delegation an: Außenbeauftragte Kaja Kallas, Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Antonio Costa.
Die Mannschaftsaufstellung
Die EU-Spitze reist in voller Stärke nach Peking. Mit dabei sind Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Ratspräsident Antonio Costa und die Außenbeauftragte Kaja Kallas. Dazu kommen eine Delegation des EU-Parlaments und hochrangige Beamte der EU-Kommission.
Auf chinesischer Seite lädt Machthaber Xi Jinping am Vormittag zum Gespräch – allerdings nur von der Leyen und Costa. Dem eigentlichen Gipfeltreffen am Nachmittag wird Xi fernbleiben, stattdessen führt Chinas Nummer zwei, Ministerpräsident Li Qiang, die Verhandlungen.

Den eigentlichen Gipfel am Nachmittag leitet Chinas Nummer zwei: Ministerpräsident Li Qiang.
Einen diplomatischen Schnitzer hat sich Brüssel allerdings erlaubt. Ausgerechnet am Tag vor dem Gipfeltreffen ist eine Delegation des EU-Parlaments in Taiwan. Peking betrachtet solche offiziellen Kontakte als Provokation.
Das Problem Ukraine
Die EU sieht China als Unterstützer Russlands. Chinesische Firmen liefern Computer-Chips, aber auch Bauteile für Drohnen. Beim jüngsten Sanktionspaket nahm man erneut sieben chinesische Unternehmen ins Visier.
In Peking ist man frustriert darüber, dass die EU dem Ukraine-Konflikt alle handelspolitischen Fragen unterordnet. Außenminister Wang soll in Brüssel erstmals die chinesische Logik offengelegt haben: China will Russlands Krieg so lange wie möglich unterstützen, weil die USA dadurch weniger Ressourcen haben, China in Asien militärisch einzuschränken. Damit sorgte er europaweit für Entrüstung.
Die Ziele
Ursula von der Leyen hat den Ton gegenüber Peking in ihrer zweiten Amtszeit verschärft. Die Kommissionschefin, aber auch die Europäische Industrie, erwartet vor allem fairere Bedingungen für europäische Firmen in China – etwa leichteren Zugang zu öffentlichen Aufträgen.
China will vor allem den europäischen Markt offenhalten. Den Zollstreit mit den USA glaubt man gewonnen zu haben, auf weitere handelspolitische Auseinandersetzungen sind Wirtschaft und Bevölkerung – dank staatlicher Propaganda – vorbereitet.
Einzig die EU-Strafzölle auf chinesische E-Autos würde Peking gerne aufgehoben sehen, doch hier ist eine Einigung unwahrscheinlich.
Die Achillesferse
Europas Industrie ist bei Seltenen Erden und anderen Mineralien, die für die globale High-Tech-Industrie unerlässlich sind, zu 98 Prozent von China abhängig. Zwar gibt es diese Rohstoffe auch in anderen Ländern, doch nur China verfügt über die Technologie, sie günstig zu verarbeiten.
Im April hat die chinesische Regierung den Export von Seltenen Erden stark eingeschränkt. Deren Exporte in die EU sind seither um 84 Prozent eingebrochen, bei europäischen Firmen steht teilweise die Produktion still.
Europas Industrie hofft, dass die EU-Spitze in Peking schnellere Exportlizenzen für europäische Firmen aushandeln kann, wie Markus Beyrer, Chef des Europäischen Unternehmerverbandes "Business Europe" deutlich macht. Aber es ist zu erwarten, dass Chinas Führung dieses Druckmittel nutzen wird, um beim Gipfel Zugeständnisse zu erzwingen.
Der Faktor Donald Trump
Die EU steht in diesen Tagen wieder einmal vor dem Ablauf eines Ultimatums aus Washington. Bis ersten August soll ein Handelsabkommen zumindest grundsätzlich stehen, sonst werden Zölle bis zu 30 Prozent fällig.
In Peking ist die Sorge groß, die Trump-Regierung könnte von der EU bei den laufenden Zollverhandlungen eine härtere Gangart gegenüber China einfordern. Das wäre vor allem für Export-Riesen wie Deutschland, für die China als Markt unersetzlich ist, gefährlich. Ein heikler Balanceakt für die EU also.
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