EU-Chefdiplomat in der Türkei: Besuch in angespannter Atmosphäre
Streit zwischen Paris und Ankara, um Flüchtlinge und illegale Bohrungen vor Zypern - Josep Borrell hatte mit Ankara viele akute Krisen der EU mit der Türkei zu besprechen
Schlechter war die ohnehin schon angespannte Stimmung zwischen der EU und der Türkei schon lange nicht mehr. Und so reiste der EU-Chefdiplomat Josep Borrell am Montag mit der Hoffnung nach Ankara, zumindest die allerneuesten Spannungen ein wenig zu dämpfen.
„Wir werden Bedenken, Probleme und Lösungsvorschläge für die Probleme diskutieren“, sagte ein Borrell-Sprecher. Weniger diplomatisch ausgedrückt heißt das: Höchste Zeit, miteinander zu reden – damit nicht noch Schlimmeres geschieht.
Der jüngste Streit: Frankreich und die Türkei, immerhin beide NATO-Staaten, beleidigen einander.
Ausgelöst hatte dies im Juni die Kontrolle einer französischen Fregatte vor der Küste Libyens. Diese wollte im Rahmen einer NATO-Mission, die den Waffenschmuggel nach Libyen beobachten soll, einen unter tansanischer Flagge fahrenden Frachter stoppen. Türkische Begleitschiffe aber nahmen die Franzosen mit ihren Radarzielvorrichtungen ins Visier, um einen Angriff zu signalisieren.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist noch immer empört. Die Regierung in Ankara hingegen streitet alles ab und will von Paris eine Entschuldigung.
Türkei - mächtiger Player in Libyen
In Libyen hat sich die Türkei als mächtiger militärischer Player entwickelt. Sie verhalf der bedrängten Regierung in Tripolis zu einem wichtigen Sieg um die Hauptstadt – und bestimmt nun in Libyen politisch mit. Damit kommt die EU nun auch in Libyen an der Türkei nicht mehr vorbei. Und auch im Krieg in Syrien hat die Türkei militärische Pflöcke eingeschlagen.
Flüchtlingsabkommen
Die Spannungen zwischen Paris und Ankara wären nicht so folgenschwer, gäbe es nicht schon eine ganze Serie von Krisen zwischen der EU und der Türkei.
Unvergessen ist in Brüssel, als die Regierung in Ankara zu Jahresbeginn Tausende Flüchtlinge in Busse setzte und an die Grenze zu Griechenland karrte. Die Türkei benutzte die Flüchtlinge als Druckmittel – und die EU bekam erneut zu spüren, wie erpressbar sie ist.Das EU-Türkei-Flüchtlingsabkommen sollte zu Jahresende auslaufen. Doch auch in Brüssel weiß man: In irgendeiner Form wird es weiter laufen müssen, will man nicht mit einem gewaltigen Flüchtlingszustrom zu tun haben.
Und so stellt Ankara Bedingungen: Mehr Geld und vor allem Geld, das direkt in die Kassen der Regierung in Ankara fließen soll. Dagegen aber stemmt sich die EU, die nicht das autokratische System Präsident Recep Tayyip Erdoğans finanzieren will.
Erneut kündigte der türkische Außenminister im Gespräch mit Borrell an, für Flüchtlinge die Grenze zu Griechenland weiterhin offenzuhalten, solange keine Lösung gefunden sei. Die Türkei werde „ihre Entscheidung weiterhin umsetzen, jene, die gehen wollen, nicht daran zu hindern“, sagte Mevlüt Cavusoglu.
„Illegale Bohrungen“
Zudem haben die EU-Staaten vor einem Jahr Sanktionen gegen die Türkei verhängt. Diese beziehen sich auf Firmen und Personen, die vor der Küste Zyperns Bohrungen durchführen. „Diese illegalen Bohrungen müssen sofort aufhören“, fordert Borrell immer wieder. Ohne Erfolg. Ankara will die EU vor vollendete Tatsachen stellen: „Die Türkei ist da“, sagte Außenminister Cavusoglu, „ihr müsst mit der Türkei arbeiten.“
Internationale Energieunternehmen haben riesige Erdgasvorkommen unter dem Meeresboden vor Zypern entdeckt. Dies führte zu massiven Spannungen zwischen Ankara und Nikosia sowie Athen. Die Türkei versucht nun Fakten zu schaffen, indem sie durch ein umstrittenes Seeabkommen mit Libyen die Grenzen ihres Seegebietes im östlichen Mittelmeer erheblich ausgeweitet hat.
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