EU bleibt hart: Keine Brexit-Neuverhandlungen

EC President Juncker meets with British PM May in Brussels
Allerdings ist EU-Kommissionschef Juncker offen für einen Zusatz zur politischen Erklärung. Nächstes Treffen Ende Februar.

Die EU und Großbritannien wollen mit neuen Gesprächen ein drohendes Brexit-Chaos Ende März doch noch abwenden. Bei einem Treffen am Donnerstag in Brüssel unterstrichen EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und die britische Premierministerin Theresa May die Bedeutung eines "geordneten Austritts".

Dies gelte vor allem mit Blick auf die beiderseits gewünschte enge Partnerschaft nach dem Brexit. Trotz aller Schwierigkeiten sollten die Unterhändler beraten, "ob ein Weg gefunden werden kann, der die breitestmögliche Unterstützung im britischen Parlament findet und die Richtlinien des Europäischen Rats respektiert", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung.

Nach dem Gespräch erklärte ein Sprecher der Kommission, dass die Unterredung zwischen Juncker und May "robust" gewesen sei. Eine Definition für diese Bezeichnung wurde auf Nachfrage nicht gegeben. Jedenfalls sollen die bisherigen Verhandlungsteams beider Seiten bis Ende Februar nochmals zusammentreten. Auch ein Treffen Juncker-May vor dem 28. Februar soll stattfinden.

Angesprochen darauf, ob der Kommissionspräsident und die britische Premierministerin auch über die Möglichkeit eines harten Brexit, also eines Ausstiegs ohne Vertrag, gesprochen haben, winkte der Sprecher ab. Er könne dem gemeinsamen Text von Juncker und May nichts hinzufügen. Auch die Frage, ob beide über eine mögliche Verschiebung des Austrittsdatums über den 29. März hinaus gesprochen hätten, wurde ausweichend beantwortet: "Das ist nichts, was ihr in der gemeinsamen Erklärung findet".   

Großbritannien will die EU am 29. März verlassen. Weil der ausgehandelte Brexit-Vertrag Mitte Jänner im britischen Parlament keine Mehrheit fand, will May Änderungen durchsetzen. Die EU schließt dies jedoch aus.

Am Mittwoch hatte EU-Ratspräsident Donald Tusk mit einer Verbalattacke für Empörung in London gesorgt. Er sagte, auf die ursprünglichen Brexit-Verfechter warte womöglich ein "besonderer Platz in der Hölle", weil sie keinen Plan für den EU-Austritt gehabt hätten.

Als große Hürde für die britische Ratifizierung des Austrittsvertrags gilt der sogenannte Backstop, die vereinbarte Garantie für eine offene Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland. Die EU beharrt darauf, weil eine Teilung der Insel neue politische Gewalt in der früheren Bürgerkriegsregion entfachen könnte. Eine Mehrheit im Unterhaus hatte zuletzt für "alternative Regelungen" gestimmt.

Juncker ließ May abprallen

May habe Juncker erläutert, warum das Parlament eine rechtlich verbindliche Änderung des Backstops wolle, hieß es in der Erklärung vom Donnerstag. Die Premierministerin habe verschiedene Optionen dargelegt, mit diesen Bedenken umzugehen. Juncker habe jedoch bekräftigt, dass die übrigen 27 EU-Staaten das Austrittsabkommen nicht mehr aufmachen würden.

Die EU drängt auf eine andere Lösung: May soll ihren Widerstand gegen eine dauerhafte Zollunion und eine Anbindung an den EU-Binnenmarkt nach dem Brexit aufgeben. Unter diesen Umständen könnte die irische Grenze offen bleiben und der Backstop würde nie gebraucht. Dies könnte ohne Änderung des eigentlichen Abkommens in einer politischen Erklärung festgeschrieben werden. Diese Linie verfolgte Juncker der Erklärung zufolge auch im Gespräch mit May.

May will sich auf Zollunion und Anbindung an den Binnenmarkt bisher nicht einlassen. Der britische Oppositionsführer Jeremy Corbyn sprach sich jedoch genau für eine solche Lösung aus und stellte in dem Fall die Unterstützung seiner Labour-Partei für Mays Brexit in Aussicht. Damit dürfte der Druck auf May wachsen, ihre Position zu überdenken.

"Wir glauben, dass eine Zollunion notwendig ist, um den reibungslosen Handel zu gewährleisten, den unsere Unternehmen, Arbeitnehmer und Verbraucher benötigen", erklärte Corbyn in einem Brief an May. "Sie ist der einzige gangbare Weg, um sicherzustellen, dass es auf der irischen Insel keine harte Grenze gibt."

Peter Fritz (ORF) über Brexit-Nachverhandlungen

Verhofstadt dringt auf Konsens in Großbritannien

Der Brexit-Beauftragte des Europaparlaments, Guy Verhofstadt, hat Regierung und Opposition in Großbritannien zur Zusammenarbeit beim EU-Austritt aufgefordert. In dem Zusammenhang begrüßte Verhofstadt am Donnerstag ein Angebot von Labour-Chef Jeremy Corbyn, die britische Premierministerin Theresa May unter bestimmten Bedingungen zu unterstützen.

Verhofstadt äußerte sich gemeinsam mit EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani nach einem Gespräch mit May in Brüssel. Tajani begrüßte die Ankündigung neuer Gespräche beider Seiten, zumal ein ungeregelter Brexit nach seinen Worten eine Katastrophe wäre. "Wir müssen mit Großbritannien reden, reden, reden", sagte Tajani. Verhofstadt sagte: "Ein 'No-Deal' ist für uns keine Option, es wäre ein Desaster auf beiden Seiten des Kanals."

Vorschlag über Notfallbudget bei No-Deal

Das Brexit-Abkommen regelt die Bedingungen der Trennung. Vor allem aber verspricht es eine Übergangsfrist bis mindestens Ende 2020, in der sich praktisch nichts ändern soll. Ohne Vertrag entfiele dies. Befürchtet werden wirtschaftliche Verwerfungen und Unsicherheit für Millionen Bürger.

Für den Fall eines "No Deal" will die EU Großbritannien einen Notfall-Budgetplan für 2019 vorschlagen, um die schlimmsten finanziellen Auswirkungen für beide Seiten abzufedern. Großbritannien würde dabei ab April weiter in das europäische Budget einzahlen und die EU ihrerseits weiter Zahlungen etwa für Forscher oder Landwirte leisten, sagte EU-Kommissar Günther Oettinger am Donnerstag.

Schottland: Austrittsdatum nicht einhaltbar

Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon und ihr walisischer Amtskollege Mark Drakeford haben die britische Regierung derweil zu einem klaren Bekenntnis gegen einen No-Deal-Brexit aufgerufen. Premierministerin May müsse diese Option ein für alle Mal verwerfen und auch darauf hinarbeiten, den 29. März als Datum für den geplanten EU-Austritt Großbritanniens fallenzulassen, teilten die beiden mit.

May müsse eine Verlängerung der Austrittsfrist bei der EU beantragen, um das Risiko zu vermeiden, dass Großbritannien ohne Abkommen aus der Europäischen Union ausscheidet, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Großbritannien sei auf einen Brexit ohne Abkommen in weniger als zwei Monaten schlichtweg nicht vorbereitet, so Sturgeon und Drakeford.

Ein solches Szenario wäre eine Katastrophe, weshalb May diese Option verwerfen sollte. Ein No-Deal-Brexit würde große kurzfristige Auswirkungen auf das Leben der Briten haben und auch die langfristigen Schäden für die britische Wirtschaft nicht abmildern, so die beiden Regierungschefs. May dürfe keine Zeit vergeuden.

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