EU bereitet "temporären Schutz" für ukrainische Flüchtlinge vor

Geflohene ukrainische Familie, die gerade in Rumänien angekommen ist
Nach vier Tagen Krieg sind bereits 400.000 Ukrainer auf der Flucht. Es könnten bis zu fünf Millionen werden. Jetzt soll in ganz Europa schnell geholfen wedren.

Für die meisten Ukrainer, die vor den russischen Raketen und Panzern nach Westen fliehen, ist Polen die erste Anlaufstelle. Fast 170.000 Menschen sind hier seit Donnerstag angekommen. Die meisten von ihnen Frauen und Kinder, verzweifelt, müde und erschöpft. Denn angesichts des gewaltigen Staus an Flüchtlingen – noch auf der ukrainischen Seite – kann es bis zu 30 Stunden dauern, bis es die Fliehenden über die Grenze geschafft haben.

Und es werden, so die Befürchtung des UN-Flüchtlingshilfswerkes UNHCR, noch sehr viel mehr werden: Bis zu fünf Millionen Menschen könnten aus der Ukraine fliehen, wenn die Kämpfe noch länger andauern.

Schon jetzt, nach nur vier Tagen Krieg, ist die Zahl der Flüchtlinge auf fast 400.000 Menschen hochgeschnellt. Rund 160.000 davon versuchen derzeit bei ihrer Flucht innerhalb des Landes bei Freunden oder Verwandten in einer anderen ukrainischen Stadt unterzukommen.

EU bereitet "temporären Schutz" für ukrainische Flüchtlinge vor

Ansturm auf die Züge in Richtung Westen

Polen, das sich bisher strikt gegen die Aufnahme von Asylsuchenden aus Asien und Afrika gewehrt hat, öffnet den ukrainischen Flüchtlingen nun bereitwillig die Türen. „Wir sind bereit, Zehntausende, Hunderttausende Flüchtlinge aufzunehmen“, versicherte der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki.

Schutzregelung in der EU

Dennoch braucht Polen Unterstützung. Bei einem Sonderrat in Brüssel haben die EU-Innenminister gestern zwar noch nicht über eine Verteilung der Flüchtlinge in mehreren europäischen Staaten beraten. Statt dessen wurde aber eine Lösung vorbereitet, die den geflohenen Ukrainern „temporären Schutz“ bieten soll.

Dieser könnte zunächst ein Jahr lang und auf dem Gebiet der gesamten EU gelten. Dabei soll den Hilfesuchenden schnell und unbürokratisch, also ohne langwierige Asylverfahren Unterstützung geboten werden. Bereits nächsten Donnerstag beim regulären Treffen der EU-Innenminister könnte es für diese Regelung grünes Licht geben.

Dabei soll erstmals eine Richtlinie angewendet werden, die im Fall eines "massenhaften Zustroms" von Vertriebenen in Kraft treten kann. Diese Richtlinie ist eine Folge der Kriege in den 1990er Jahren im ehemaligen Jugoslawien. Sie wurde bislang noch nie - auch nicht während der großen Fluchtbewegung 2015 und 2016 - genutzt. Jetzt aber soll sie angewendet werden, weil es möglicherweise so viele Asylanträge gibt, dass das Standardprozedere zu einer Überlastung der zuständigen Behörden führen könnte.

Österreich ist bereit

Auch Österreich werde geflohene Ukrainer aufnehmen, hat Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) signalisiert. Das Innenministerium wird dabei Initiativen von Bund, Ländern, Gemeinden aber auch Privatpersonen koordinieren, die mit der Bereitstellung von Quartieren helfen wollen. Auf eine Zahl, wie viele Flüchtlinge aufgenommen würden, wollte sich Karner am Sonntag nicht festlegen.

Mit einer großen Flüchtlingswelle rechnet man in Österreich aber vorerst nicht. Erwartet wird vielmehr, dass ein Großteil der Ukraine-Flüchtenden in die umliegenden Länder gehen wird – neben Polen nach Ungarn und in die Slowakei. Dennoch werden Szenarien für möglicherweise größere Flüchtlingsströme vorbereitet.

Beim Sonder-Ministerrat ging es gestern zusätzlich zu den EU-weiten Koordinierungsmaßnahmen auch um Sicherheitsthemen – um befürchtete Cyberangriffe.

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