Ein Panzer, der automatisch auf jeden Menschen schießt, der einen Hut trägt, eine Drohne, die ohne menschliches Zutun jeden bewaffneten Menschen unter Feuer nimmt – auf dem Gebiet der autonomen Waffensysteme „LAWS" (Lethal Autonomous Weapons Systems), in den Medien meist „Killer-Roboter“ genannt, ist es in den vergangenen Jahren zu rasanten und bedenklichen Entwicklungen gekommen, wie der aktuelle Krieg in der Ukraine zeigt.
Bislang galt es – zumindest aus offiziellen Quellen – als klar, dass stets ein Mensch die Letztentscheidung vornimmt, wenn es darum geht, ein Ziel mit einer Drohne zu bekämpfen.
Bereits dieses ethische Dilemma warf und wirft Fragen auf. Dass nun – auch wenn es nur im Testverfahren war – eine Künstliche Intelligenz in der Lage ist, die Befehle des Menschen zu ignorieren, sollte laut vielen Experten für die Staaten und Unternehmen, die an Kriegsführung mit Künstlicher Intelligenz ein Weckruf sein.
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Vor allem große Tech-Konzerne kooperieren aber in der Forschung und Entwicklung künstlicher Intelligenz mit dem Militär. Etwa in den USA am „Project Maven“, mit dem Google im Jahr 2017 begann. Die Technologie soll das Videomaterial, das unbewaffnete US-Überwachungsdrohnen aufzeichnen, effizienter als bisher nach militärisch bedeutungsvollen Objekten absuchen. Bald regte sich Widerstand in den Reihen der Google-Mitarbeiter. Mit dabei, Laura Nolan. “Für mich hat das ein gewaltiges moralisches Defizit in der Führungsebene aufgezeigt“, sagt sie zum KURIER.
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Ein anderer ehemaliger Google-Mitarbeiter kündigte unlängst allerdings an, in genau diesen Bereich zu investieren: Eric Schmidt, ehemaliger Google-CEO und einer der reichsten Menschen der Welt. Im Magazin Foreign Affairs berichtete er von einem Ukraine-Besuch und legte seinen Fokus auf Drohnen und Elektronische Kampfführung:
„Seit Ende 2022 setzt Russland eine Kombination aus zwei im Inland hergestellten Drohnen ein, die Orlan-10 (eine Überwachungsdrohne) und die Lancet (eine Angriffsdrohne), um alles zu zerstören, von hochwertigen Artilleriesystemen bis zu Kampfjets und Panzern. Die Ukraine hat Russland zu Beginn des Konflikts bei den Drohnenangriffen übertroffen, verfügt aber über keine Kombination von Drohnen, die mit Russlands gefährlichem neuen Duo mithalten könnte“, schrieb er.
Vor allem die Lancet-3 setzt den ukrainischen Streitkräften erheblich zu. Die Lancet-3 kann etwa 40 Minuten lang in der Luft bleiben, 40 Kilometer weit fliegen und einen drei Kilo schweren Hochexplosiv-Sprengkopf tragen, der auch leichtere Panzerungen durchschlägt. Und das mit einer Geschwindigkeit von 300 Kilometern pro Stunde.
Entwickelt wurde die Drohne unter dem Dach des Kalaschnikow-Konzerns, erprobt wurde sie unter anderem bereit sin Syrien. Laut russischen Quellen ist die Lancet-3 in der Lage, über einem Gebiet zu kreisen und sich selbständig Ziele zu suchen, wie es auch die türkische Bayraktar-Drohne könnte.
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Rüstungs-Start-up "White Stork"
Neben der regulären Lancet-3 setzt Russland eine aufgerüstete Version gegen die Ukraine ein. Die normale Lancet-3 wiegt 12 Kilogramm, hat einen 3 Kilogramm schweren Gefechtskopf und eine Flugdauer von maximal 40 Minuten. Die aufgerüstete Version soll eine Stunde Flugzeit haben und einen 5 Kilogramm schweren Gefechtskopf – also deutlich mehr Zerstörungskraft.
Dem will Schmidt nun eine eigene Drohne entgegensetzen – eine Kamikazedrohne, die der Lancet-3 zumindest ebenbürtig sein soll. Produzieren soll diese Waffe Schmidts neues Rüstungs-Start-up „White Stork“. Ein Exemplar soll lediglich 400 Dollar kosten und in Massen produziert werden können. Ausgestattet soll die neue Drohne mit fortschrittlicher KI-Zielerfassung werden.
Geht diese Entwicklung weiter, könnte es dazu kommen, dass Menschen als Drohnenoperatoren wegfallen und die Drohnen automatisch starten und ihr Ziel nach den vorgegebenen Parametern auswählen. Es wäre ein fataler Schritt im Bereich der Kriegsführung. Doch wie wäre er aufzuhalten?
Revolution gleich der Atombombe
Wie bei jedem Waffensystem in der Geschichte findet zwischen den Weltmächten ein Wettrüsten und vor allem ein gegenseitiges Misstrauen statt. Die Tatsache, dass Künstliche Intelligenz schneller entscheidet als der Mensch, so die Denkweise, führe dazu, dass man ohne menschliche „Begrenzung“ im Kriegsfall einen Vorteil habe. Beziehungsweise der Gegner, bliebe man bei der ethischen Begrenzung. „Wir treten also in eine sehr gefährliche Zeit mit einer Technologie ein, die wir nicht einmal verstehen. Gleichzeitig könnte eine einseitige Begrenzung ihres Potenzials für uns einen massiven Nachteil bedeuten. Umso mehr sollten wir versuchen, als Weltgemeinschaft präventiv damit umzugehen und nicht auf dem Schlachtfeld“, schrieb etwa Tyler Rogoway, Chefredakteur des Onlinemediums „The War Zone“.
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Dass nun das Silicon Valley aktiv in die Entwicklung von Drohnen mit Künstlicher Intelligenz einsteigt, nährt die Sorgen vor jenen „Killerrobotern“, vor denen unter anderem das österreichische Außenministerium seit Jahren warnt. Dabei sollte dennoch nicht außer Acht gelassen werden, dass jede relevante Regional- und Weltmacht daran arbeitet.
Forscher und Aktivisten betrachten diese Entwicklung von autonomen Waffen als dritte Revolution der Kriegsführung nach Erfindung des Schwarzpulvers und der Nuklearwaffen.
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