Über Jahrzehnte haben sie Schulter an Schulter für den Sozialismus gekämpft. Seit einigen Tagen aber sind der bronzene Ukrainer und sein russischer Genosse von ihrem Sockel gestürzt und in Stücke geschnitten worden. Das Monument aus der Zeit der UdSSR am Rand der Hauptstadt Kiew ist das erste, das offiziell entfernt wurde.
Mit dabei war Kiews Bürgermeister Witali Klitschko, der in seiner Rede eine Erklärung für den Sturz der Statue lieferte: "Du tötest nicht deinen Bruder, du vergewaltigst nicht deine Schwester – darum entfernen wir dieses Denkmal, das einst für die Freundschaft zwischen der Ukraine und Russland stand."
Mehr als 60 weitere Denkmäler sollen in den nächsten Monaten folgen. Ob sie nun russische und ukrainische Arbeiter, Lenin, oder einen russischen Dichter darstellen.
Es geht nicht nur um Denkmäler. Die "Entrussifizierung", wie Ukrainer dieses Vorgehen nennen – als Retourkutsche für die von Putin verkündete "Entnazifizierung" der Ukraine – soll auch die Namen, etwa von Straßen, betreffen. Hunderte dieser Namen im ganzen Land sind bereits auf Karten eingetragen und damit für die Umbenennung vorgesehen.
Tolstoj als Feindbild
Doch so sehr die Begeisterung beim ersten Denkmalsturz in Kiew aufbrandete, so deutlich macht sich auch Skepsis bei vielen Ukrainern bemerkbar. Schließlich betrifft die Umbenennung nicht nur politische Größen der Sowjetunion, sondern auch andere prägende Figuren Russlands. Der russische Avantgarde-Dichter Majakowskij verliert seine Straße in einem Ort unweit von Odessa, weil die von jetzt an Boris-Johnson-Straße heißt. Jurij Gagarin, der erste sowjetische Astronaut, verschwindet aus der Stadt Ternopil – und zwar gleich gemeinsam mit einem dort ausgestellten sowjetischen Panzer und einem Kampfjet.
Den meisten Unmut aber ruft die geplante Umbenennung einer U-Bahn-Station in Kiew hervor. Die heißt nämlich nach dem russischen Dichter Leo Tolstoj. Und dass der auf einmal zum Feindbild für Ukrainer werden soll, macht in der Hauptstadt viele Bürger fassungslos. "Nur Idioten könnten so etwas tun", meint etwa ein Passant in der betroffenen U-Bahn-Station gegenüber dem britischen Guardian: "Tolstoj ist ein weltberühmter Dichter, nicht einfach Russe oder Ukrainer."
Nicht ganz so ernst ist der Vorschlag, einer Straße in der Hauptstadt einen neuen Namen zu geben, den ein bekannter Koch bereits offiziell eingereicht hat. Bisher nach einem längst vergessenen russischen Philosophen benannt, soll die Straße von nun ab Borschtsch-Straße heißen – nach der berühmten Suppe. Allerdings ist deren Herkunft seit jeher zwischen Ukrainern und Russen umstritten.
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