Er könne sich nicht mehr mit dieser Nationalmannschaft identifizieren, schreibt Björn Höcke. Fußball, das sei einmal sein Leben gewesen. Aber jetzt, da quille aus jeder Pore des Fußballsports „die Regenbogenideologie.“
Höcke, Thüringens AfD-Chef und einer der extremsten Rechtsausleger der Partei, ist Sportlehrer, die Liebe zum Fußball nimmt man ihm schon ab. Doch die Botschaft, die er mit seinem Essay in der Schweizer Weltwoche vermitteln will, hat mit sportlicher Fairness wenig zu tun. Sie ist reine Provokation: Die deutsche Elf repräsentiere „Vielfalt statt Vaterland“, schreibt er. Zu viel Farbe, zu wenig Weiß also.
"Einen Boateng zum Nachbarn"
Rechte Attacken auf die Nationalelf sind nichts Neues. Schon 2016 zündelte Parteigrande Alexander Gauland, indem er meinte, die Deutschen wollten „einen Boateng nicht zum Nachbarn“ - wohlgemerkt etliche Jahre, bevor gegen Jérôme Boateng Vorwürfe der häuslichen Gewalt laut wurden.
Damals schrie Gauland halb Deutschland entgegen, dass das jetzt etwas daneben sei, und auch in der eigenen Partei schüttelten sie still die Köpfe.
Jetzt ist die Lage eine andere, die ganze AfD flirtet mit dem Thema. EU-Wahl-Spitzenkandidat Maximilian Krah etwa nennt die Elf auf TikTok eine "politisch korrekte Söldnertruppe", im Hintergrund lässt er dabei den Ausländer-Raus-Song „L’amour toujours“ von Gigi D’Agostino düdeln.
Parteichefin Alice Weidel, selbst bekanntlich mit einer Frau aus Sri Lanka liiert, fordert von den Spielern einen „Identitätspunkt zu Deutschland“. Was das genau sein soll, lässt sie offen.
Angst vor Deutschtümelei
Zufall ist das alles nicht, die Zeit sieht darin sogar eine „konzertierte Aktion“. Anlass dürfte die höchst unglückliche Umfrage des WDR sein, der kürzlich für seine Doku „Einigkeit und Recht und Vielfalt“ wissen wollte, ob die Deutschen nicht wieder mehr Spieler mit weißer Hautfarbe in der Nationalmannschaft hätten. 21 Prozent sagten ja, seither poltert die AfD gegen die „zu diverse“ Mannschaft.
Damit will sie wohl auch austesten, wie weit sie verbal gehen kann, wie viel „Völkisches“ die Deutschen jetzt vertragen. Das hat Geschichte: Die Nationalelf war schon immer Resonanzraum der eigenen nationalen Identität, die Nazis überhöhten sie und wollten sie freilich „ethisch rein“ halten.
Davon loszukommen, hat Jahrzehnte gebraucht: Dass viele Deutsche beim Sommermärchen 2006 Flaggen am Auto hatten, fühlte sich damals erstmals einigermaßen normal an. Mittlerweile ist die Angst vor zu großer Deutschtümelei wieder voll da – und daran hat die AfD maßgeblich Anteil.
"Dog whistling"
Deutschland ist aufgrund seiner Geschichte freilich ein Sonderfall – sowohl, was die Zurückhaltung mit allem Nationalen angeht als auch dessen Instrumentalisierung. Aber auch anderswo mussten Nationalteams schon als Projektionsfläche identitärer Ideologien herhalten: Jean-Marie Le Pen, Vater von Frankreichs jetziger rechter Galionsfigur Marine, fremdelte schon in den 1990er mit der „künstlichen“ Nationalelf, deren Spieler aus dem Ausland importiert worden seien.
Mittlerweile ist derartig platter Rassismus in Frankreich verpönt. Die politische Nachkommenschaft hat darum dazugelernt, sie arbeitet sich nicht mehr an der Hautfarbe, sondern am Reichtum der Spieler ab: „Multimillionäre im Privatjet“ werden schwarze Spieler wie Kylian Mbappé oder Marcus Thuram jetzt genannt; Migranten mit Geld sind schließlich immer suspekt.
Das Wörtchen Heimat
Auch die AfD beherrscht dieses „Dog whistling“, die rassistisch codierte Sprache, perfekt. Höcke schreibt in seinem Aufsatz, der 23-jährige Mbappé gehe mit einem Wochensalär von zwei Millionen nach Hause, während man in den Anfangszeiten der deutschen Bundesliga gerade mal 1250 D-Mark plus Prämie bekam.
Auch das verderbte Legionärswesen ärgert ihn: „Heimatliche Standorttreue“ sei heute nicht mehr gefragt, schreibt er. Gute alte Zeit, gute alte Spieler also.
Da stellt sich aber die Frage, was Höcke mit dem Wort Heimat eigentlich meint. Denn die Spieler im Kader haben nicht nur einen deutschen Pass, sondern sind allesamt auch in Deutschland geboren. Überrepräsentiert sind Spieler mit Migrationsbiografie in der Nationalelf auch nicht: 25 Prozent sind es am Feld - gesamtgesellschaftlich bereits knapp 30.
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