Elon Musks Twitter-Herrschaft: Die Freiheit, die er meint

Elon Musks Twitter-Herrschaft: Die Freiheit, die er meint
Twitter-Chef Elon Musk ließ Profile von Journalisten sperren, die über seinen Privatjet berichtet hatten. Der Aufschrei ist groß – schließlich versprach Musk, auf der Plattform für Meinungsfreiheit zu kämpfen.

„Wenn sie ungezogen sind, werden ihre Accounts deaktiviert“, schrieb Elon Musk am Freitag auf seiner vor einem Monat gekauften Plattform Twitter. Bewusst provokant fasste der 51-jährige Multimilliardär damit zusammen, was seit Donnerstagabend in dem Netzwerk für große Aufregung gesorgt hatte: Der Konzern sperrte die Profile von sechs bekannten US-amerikanischen Journalisten.

Die „Ungezogenheit“ von Ryan Mac (New York Times), Donnie O’Sullivan (CNN) und Co. bestand darin, in ihren Artikeln auf das Twitter-Profil „Celebrity Jets“ verwiesen zu haben. Dabei handelt es sich um einen sogenannten Bot – ein automatisiertes Programm, von einem US-Studenten erstellt, das anhand öffentlich einsehbarer Flugdaten über die Starts und Landungen ausgewählter Privatjets berichtet. Weil darunter auch Elon Musks Privatjet war, wurde der Account am Mittwoch gelöscht. Doch das reichte dem neuen Twitter-Chef offenbar nicht.

Aufschrei, auch auf politischer Ebene

Nicht nur Medienrechtler sehen in der Entscheidung, ausgewählte Journalisten von der Plattform zu entfernen, einen Einschnitt in die Presse- und Meinungsfreiheit. Zwei Werte, die Musk mit seiner Übernahme auf Twitter eigentlich stets hochhalten wollte.

In einer Stellungnahme des deutschen Außenministeriums heißt es etwa: „Pressefreiheit darf nicht nach Belieben ein- und ausgeschaltet werden.“ Es sei „total in Ordnung“, ihn den ganzen Tag über zu kritisieren, wehrte sich Musk noch am Freitag, doch „das Doxxing (die Veröffentlichung von persönlichen Daten, Anm.) meines Standorts in Echtzeit und die damit einhergehende Gefährdung meiner Familie sind es nicht“.

Um welche Redefreiheit geht es Musk?

Für Markus Beckedahl, Gründer der deutschen Online-Plattform Netzpolitik.org, ist der Fall ein Paradebeispiel dafür, „dass es eine sehr schlechte Idee ist, wenn eine Einzelperson entscheiden kann, wie auf einer derart relevanten Plattform kommuniziert wird“.

Musk habe Twitter laut eigener Aussage in erster Linie übernommen, um dort die größtmögliche Redefreiheit zu gewährleisten. „In sehr vielen Aktionen wird aber klar, dass es ihm dabei um seine eigenen Interessen geht, nicht um jene der Öffentlichkeit“, sagt Beckedahl im KURIER-Gespräch.

Wer eine solch relevante Kommunikationsplattform wie Twitter betreibt – laut Beckedahl trotz ihrer vergleichsweise geringen Nutzerzahl „die mit Abstand relevanteste für das politisch-mediale Ökosystem“ – habe grundsätzlich viel zu viel Einfluss auf den öffentlichen Diskurs. „Weil man im Hintergrund immer mit den Regeln, die man auf der Plattform setzt, bestimmen kann, wie sich dort die Realität abbildet und wie wir überhaupt miteinander kommunizieren können.“

Auch Tiktok greift aktiv ein

Dass solche Regeln in sozialen Netzwerken meist gesetzt werden, um den Interessen der Inhaber zu dienen, ist kein Twitter-exklusives Phänomen.

Dem chinesischen Konzern ByteDance, Betreiber der aktuell am schnellsten wachsenden Plattform Tiktok, wird schon seit Jahren vorgeworfen, Kritik an der chinesischen Regierung mithilfe des Algorithmus bewusst kleinzuhalten. Auch beim KURIER-Auftritt auf Tiktok machen sich entsprechende Reichweiten-Einbrüche bei der Berichterstattung über China bemerkbar.

Um soziale Medien stärker zu demokratisieren, bedürfe es rechtlicher Grundlagen, sagt Beckedahl. Auf EU-Ebene sei in diesem Jahr ein entsprechendes Gesetz verabschiedet worden, bis es wirke und nötiges Personal eingestellt wurde, dauert es aber noch – laut Beckedahl zu lange: „Bis dahin kann Elon Musk Twitter nach seinen Vorstellungen umbauen und Öffentlichkeiten weltweit massiv beeinflussen.“

Das tut der wahrscheinlich reichste Mann der Welt auch in Form von öffentlich ausgetragenen Streitereien. Auf den Vorwurf der demokratischen Kongressabgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez, er solle mit dem „Proto-Faschismus“ aufhören, antwortete Musk am Freitag: „Du zuerst, lol“.

Kommentare