Auf große Begeisterung stießen seine Vorhaben nicht: Sowohl der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij als auch der Kreml – wenn auch weniger vehement – wiesen Musk ab; die Internetverbindung im Iran blieb ein leeres Versprechen und führte stattdessen zu Phishing-Kampagnen des Regimes; und Taiwan forderte ihn offiziell auf, seinen Vorschlag zurückzuziehen.
Doch mit der Übernahme von Twitter hat Musk nun eine eigene, kleine "Welt", die er gestalten kann, wie sie ihm gefällt. Wird das auch Auswirkungen auf die große Welt haben?
Musk als Kämpfer der Meinungsfreiheit
"Der Grund, warum ich Twitter erworben habe, ist, weil es wichtig ist für die Zukunft unserer Zivilisation, einen gemeinsamen digitalen Hauptplatz zu haben, wo eine Bandbreite an Überzeugungen in einer gesunden Art und Weise diskutiert werden können, ohne in Gewalt zu enden", schrieb der 51-Jährige in der Nacht auf Freitag auf "seinem" Netzwerk. Es bestehe zur Zeit "große Gefahr", dass sich soziale Medien in entweder rechtsextreme oder linksextreme "Echo-Kammern" verwandelten, Hass generierten und unsere Gesellschaften spalteten.
"Musk sieht sich als Kämpfer der absoluten freien Meinungsäußerung. Das passt zum rechts-libertären Mindset des Silicon Valley, aus dem er kommt", so der Politikwissenschafter Lukas Schlögl, der an der Uni Wien zu Demokratie und sozialen Medien forscht.
Ob Musks Twitter-Übernahme jedoch zu weniger Hass und Hetze führe, bezweifelt Schlögl: "Musk verfolgt einen fast schon missionarischen Auftrag und sieht Twitter als seine ideologische Spielweise, wo er jetzt bestimmte Spielregeln umsetzen und Beschränkungen oder Maßnahmen abbauen kann, die seinem Verständnis nach der freien Meinungsäußerung bis dato schadeten – etwa die Moderation von Content", so Schlögl. "Dadurch könnte der Dialog noch polarisierter und konfrontativer werden."
Kommt Trump zurück?
Schlögl gibt kritischen Stimmen recht: "Es ist natürlich besorgniserregend und problematisch, wenn so etwas wie eine Infrastruktur für den öffentlichen Meinungsaustausch derart abhängig ist von Privatpersonen. Soziale Medien haben den Charakter öffentlicher Güter, auch wenn sie das rechtlich nicht sind. Das ist, als wären etwa die Wasserversorgung oder ein Schienennetz in Privatbesitz."
Und Musk zögerte nicht lange, seine neue Macht auszuprobieren: Zum Einstieg feuerte er sogleich vier Mitarbeiter der Chefetage – darunter die Juristin Vijaya Gadde, die US-Medien zufolge einst den Rauswurf von Ex-Präsident Donald Trump nach dem Sturm aufs Kapitol am 6. Jänner 2021 beschloss. Nun wird mit Spannung erwartet, ob Trump auf Twitter zurückkehren darf. Vor seiner Sperre hatte er 88 Millionen Followern und war damit zeitweise die Person mit den meisten Followern; mittlerweile hat er sein eigenes Sprachrohr, "Truth Social", gegründet.
Eine "unmittelbar Gefahr für die Demokratie" sieht der Politikwissenschafter in Musks Twitter-Übernahme aber nicht: "Ich denke nicht, dass es Twitter an einer Diversität von Meinungen mangelt, oder dass es dazu kommen wird." Auch nicht angesichts der anstehenden Midtermwahlen am 8. November in den USA?
"Ich würde die Macht Twitters nicht überschätzen, auch nicht in den USA. Twitter ist sicher nicht repräsentativ für die Bevölkerung. Die US-Demokratie hat große Probleme, aber Twitter ist nur ein kleines davon." Der Königsmacher von Trump sei nicht Twitter, sondern Fox News gewesen. "Und man sieht, Trumps Popularität ist ungebrochen – ganz gleich, ob er die letzte Jahre auf Twitter war oder nicht."
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