Einer der letzten Auswege für Russen führt über Helsinki in die EU

Einer der letzten Auswege für Russen führt über Helsinki in die EU
Die Zugverbindung von St. Petersburg nach Finnland ist seit Beginn der Ukraine-Invasion ausgebucht.

Helsinki ist das Ziel: Die Zugverbindung von St. Petersburg in die finnische Hauptstadt ist für Russen eine der letzten Möglichkeiten, in die EU zu gelangen, nachdem wegen der Ukraine-Invasion der europäische Luftraum für russische Flugzeuge gesperrt wurde. Die finnische Bahn muss ihre Zugverbindung von St. Petersburg nach Helsinki ausweiten, weil mehr und mehr Russen ihr Land verlassen wollen.

Tausende seien bereits in Finnland angekommen, neben dem Schnellzug Allegro seien auch die Busse auf der rund 400 Kilometer langen Strecke zwischen St. Petersburg und Helsinki voll, berichtete der finnische Fernsehsender Yle am Samstag. „Wir versuchen mehrere Fahrten an mehreren Tagen in der nächsten Woche zusätzlich anzubieten“, sagte ein Sprecher der finnischen Bahn dem Sender. „Die Züge in die Gegenrichtung sind praktisch leer“, fügte er hinzu.

Auch Russen, die in der EU arbeiten oder studieren, ergreifen diese Chance - und die Züge sind für die nächsten Tage ausgebucht.

"Wir haben beschlossen, so schnell wie möglich zurückzukehren, denn man weiß nicht, wie die Lage nächste Woche ist", sagt Polina Poliakowa, die in Paris studiert. Die Moskauerin ist mit dem Express-Zug Allegro um 06.40 Uhr in Helsinki angekommen. Ihre Freundin Beata Juchtanowa, die ebenfalls in Paris studiert, hat sie begleitet. Reisen sei für Russen "jetzt schwierig, weil alles annulliert wurde", sagt sie.

Fuhren die Allegro-Züge in jüngster Zeit wegen der Corona-Pandemie oft weitgehend leer von St. Petersburg nach Helsinki, sind sie jetzt "für die nächsten Tage ausgebucht", wie Topi Simola vom finnischen Bahnunternehmen VR sagt. "Wir können am Gepäck erkennen, das sie dabei haben, dass die Leute regelrecht umziehen", sagt der VR-Manager.

FINLAND-RUSSIA-UKRAINE-TRANSPORT-CONFLICT-SANCTIONS

Die Passagierzahl auf der Strecke von Ost nach West begann am Samstag in die Höhe zu klettern, zwei Tage nach Russlands Einmarsch in der Ukraine. Bei den Zügen zurück nach St. Petersburg liegt die Auslastung hingegen nur bei 30 Prozent.

Sputnik V als Problem

Im Allegro können allerdings nur wenige Russen einen Platz ergattern, die meisten Fahrgäste sind Finnen. Denn russische Fahrgäste brauchen nicht nur ein gültiges Schengen-Visum, sondern auch eine Corona-Impfung mit einem in der EU zugelassenen Vakzin. Mit russischen Impfstoffen wie Sputnik V immunisierte Russen dürfen also nicht mit dem Allegro fahren.

Die meisten russischen Fahrgäste haben ihren Wohnsitz bereits in der EU, etwa die 14-jährige Maria und ihre Mutter Swetlana, die zurück nach Österreich wollen. Nachdem ihr Flug am Sonntag gestrichen worden war, waren die beiden erst einmal ratlos, wie sie zurück nach Hause kommen. "Wir haben erst gedacht, wir müssten über die Türkei fahren, aber das ist viel teurer als Finnland", sagt Maria.

Das Bahnunternehmen VR, das die Strecke zusammen mit der russischen Bahn betreibt, würde die Verbindung gerne für andere EU-Bürger als Finnen öffnen und die Kapazitäten ausbauen. "Wir wissen, dass es in Russland noch zehntausende EU-Bürger gibt und wir nehmen an, dass viele von ihnen gerne heimkehren würden", sagt Simola.

Große Verunsicherung

Nach Finnland heimgekehrte Russen beschreiben, dass in Russland derzeit große Verunsicherung herrscht wegen des Kriegs gegen die Ukraine und der scharfen Reaktionen des Westens in Form einer Vielzahl von Sanktionen. "Viele Menschen sind in Panik", sagt Daria, die früher als ursprünglich geplant an ihren Studienort Helsinki zurückgekehrt ist.

"Ich kenne Leute, die zur Zeit verzweifelt versuchen, ins Ausland zu gehen", sagt auch Elena, die in Finnland arbeitet. Sie hatte noch am Donnerstag vor einer Woche, als die Ukraine-Invasion der russischen Armee begann, ihren Heimflug von Moskau nach Finnland umgebucht und kehrte am selben Tag in das skandinavische Land zurück.

Viele ihrer Landsleute fühlten sich in Russland "nicht in Sicherheit", sagt Elena, die ihren Nachnamen lieber nicht nennt. "Sie wissen, dass die wirtschaftliche Situation ab jetzt sehr schwierig wird, und viele Leute können es aus moralischen Gründen nicht ertragen zu bleiben."

Elena hat vorerst alle Brücken zu Russland hinter sich abgebrochen. "Ich habe so bald nicht vor, nach Russland zurückzukehren, das ist sicher", sagt die 37-Jährige. Doch auch wenn die Lage in ihrem Heimatland ausgesprochen schwierig sei, sei es "unmöglich, sie mit den derzeitigen Schrecken in der Ukraine zu vergleichen".

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