Ein Kindersoldat erzählt: "Ich habe Jahre meines Lebens verloren"
Schätzungen zufolge werden 250.000 Kinder weltweit als Kindersoldaten missbraucht. Was das mit Kindern macht und warum sich manche freiwillig bewaffneten Gruppen anschließen.
Gabriel war 15 Jahre alt, als er entführt wurde. "Ich war auf dem Weg zum Bauernhof unserer Familie. Fünf Männer mit Waffen sind plötzlich aufgetaucht. Sie haben mir eine Waffe gegeben und mich trainiert. Wenn wir Fehler gemacht haben, wurden wir geschlagen und bestraft." Noch bevor sein Training abgeschlossen war, wurde der Junge von einem Granatsplitter im Gesicht getroffen. Seitdem ist er auf einem Auge blind.
James war 13 Jahre alt und beim Angeln mit Freunden, als er von einer bewaffneten Gruppierung entführt wurde. Sie zwangen ihn, zu trainieren und zu kämpfen. Erst als er im Bein angeschossen wurde und man ihn zum Sterben einfach liegen ließ, konnte er gerettet werden.
Tom hat sich mit elf Jahren freiwillig der Cobra-Miliz angeschlossen. Sein Dorf wurde überfallen, seine Schwester getötet: "Ich war sehr verbittert. Deshalb habe ich beschlossen, dass ich etwas tun muss. Ich wollte mich wegen all der Morde rächen." Seine Eltern waren damit einverstanden. An den Tagen, an denen er nicht als Kämpfer gebraucht wurde, half er als Koch, Träger oder Wachtposten. Heute bereut der 14-Jährige seine Zeit als Kindersoldat: "Ich habe das Gefühl, dass ich drei Jahre meines Lebens verloren habe. Wenn ich zur Schule gegangen wäre, würde ich jetzt bald einen Abschluss machen."
Mit den Geschichten von Gabriel, James und Tom (Namen geändert, Anm.) aus dem Südsudan will UNICEF anlässlich des 12. Februars, dem Welttag gegen den Einsatz von Kindersoldatenund Kindersoldatinnen, aufzeigen, dass die Rekrutierung von Minderjährigen in vielen Teilen der Welt immer noch alltäglich ist und Kinder zum Krieg Führen und Töten gezwungen werden.
Niemand weiß, wie viele Kindersoldaten es weltweit tatsächlich gibt, Schätzungen gehen von bis zu 250.000 aus. Die Zwangsrekrutierung und die Beteiligung von Minderjährigen an Kämpfen ist in den meisten Ländern zwar verboten, doch daran halten sich vor allem radikale Konfliktparteien nicht.
Hälfte aller Entführungen endet im Krieg
Besonders viele Kinder werden in den langwierigen Konflikten im Südsudan, in der Zentralafrikanischen Republik, in der Demokratischen Republik Kongo, in Somalia, in Syrien und im Jemen rekrutiert. Auch in Afghanistan, Mali oder Myanmar werden Kindersoldaten als Helfer von bewaffneten Gruppen eingesetzt. Mädchen sind dabei besonders verletzlich: Neben aktiven Kampfhandlungen sind sie gleichzeitig meist Opfer von sexueller Gewalt.
Somalia gehört zu jenen Ländern weltweit, in denen besonders viele Kinder entführt und zum Krieg Führen gezwungen werden: 2020 führten über 50 Prozent der Entführungen zu einer Rekrutierung der Kinder für den Krieg.
Oft zwingen aber auch Bürgerkrieg, Armut, fehlende humanitäre Hilfe und Hunger die Eltern regelrecht dazu, ihre Kinder wegzuschicken, oder treiben die Kinder selbst in die Arme bewaffneter Gruppen.
Am 12. Februar 2002 trat das Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention zum Verbot der Beteiligung von Kindern in bewaffneten Konflikten in Kraft. Dem zufolge gilt die Rekrutierung von Kindern unter 15 Jahren als Kriegsverbrechen, Mädchen und Jungen unter 18 Jahren dürfen nicht gegen ihren Willen eingezogen werden oder an Kampfhandlungen teilnehmen. 168 Staaten sind dem Protokoll bis dato beigetreten.
50 Jahre Gefängnis
Das Zusatzprotokoll führt dazu, dass Verantwortliche vor dem Internationalen Strafgerichtshof angeklagt werden können. So wurde 2012 etwa der kongolesische Milizenchef Thomas Lubunga vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen der Rekrutierung von Kindersoldaten zu 14 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Charles Taylor, der ehemalige Präsident von Liberia, wurde 2012 zu 50 Jahren Gefängnis verurteilt. Ihm wurde eine Reihe von Kriegsverbrechen zur Last gelegt, darunter die Rekrutierung und der Einsatz von Kindersoldaten.
Gabriel, James und Tom sind mittlerweile keine Kindersoldaten mehr, sie erhalten medizinische, psychologische und soziale Unterstützung von humanitären Organisationen. Gabriel sagte zu UNICEF, sein Traum sei es, einen Job als Elektriker zu finden. James möchte ein Vorbild sein und in einem Krankenhaus arbeiten.
Kommentare