Ein Gigant wie einst Mao: Xi Jinping schreibt Chinas Geschichte um
Wer in China an der Spitze der Kommunistischen Partei steht, wird als "Oberster Führer" bezeichnet. Kein Wunder bei der Machtfülle, die damit einhergeht: In dem Einparteienstaat ist der Weg zum Amt des Staatspräsidenten vorgezeichnet, der gleichzeitig auch oberster Befehlshaber des Militärs ist. Auch weite Teile der Wirtschaft sind fest in staatlicher Hand.
Der aktuelle "Oberste Führer" Chinas, der 68-jährige Xi Jinping, vereint so viel Macht auf sich wie kaum einer seiner Vorgänger. Nur Staatsgründer Mao Zedong und Wohlstandsbringer Deng Xiaoping wurde Ähnliches nachgesagt. Xi selbst will sich deshalb auch offiziell als einer der Giganten der chinesischen Geschichte verewigen lassen. Dahinter steckt kaltes politisches Kalkül, denn der Präsident hat sich in diesem Jahr erstmals seit langem politisch verwundbar gezeigt.
Am Montag fiel der Startschuss für ein viertägiges Plenum, an dessen Ende eine Neueinschätzung der hundertjährigen Geschichte der Kommunistischen Partei präsentiert werden soll. Dabei wird die Einschätzung des Vorsitzenden sozusagen als Gemeinschaftsbeschluss der 380 obersten Parteimitglieder festgehalten.
Wiederwahl-Propaganda
Es ist erst die dritte Resolution dieser Art überhaupt, die beiden vorherigen prägten auf Jahrzehnte hinaus Chinas Politik und Gesellschaft: So ließ sich Mao 1945 von der Partei etwa den Grundstein für den bis heute andauernden Kult um seine Person legen. Sein Nachfolger Deng sparte 1981 im Vergleich dazu mit Eigenlob, ordnete Maos Wirken aber kritischer ein und hob die Bedeutung des wirtschaftlichen Fortschritts für sein Land hervor.
Mao Zedong (1949-1959)
Führte die Kommunisten zum Sieg im chinesischen Bürgerkrieg und rief 1949 die heutige Volksrepublik aus, herrschte als Diktator mit eiserner Faust. Mao wird verehrt, doch wirtschaftlich blieb sein China schwach.
Deng Xiaoping (de facto 1979-1997)
Sein Wirken ist von der Abgrenzung zu Mao geprägt. Erst als Kapitalist verschrien, brachten seine marktwirtschaftlichen Reformen dem Land seit den Siebzigern Wohlstand. Politisch regierte Deng aber totalitär.
Xi Jinping (2012 bis heute)
Seit 2012 an der Spitze Chinas, baute Xi seine Macht zunehmend aus. Sieht seine Rolle darin, aus dem Schwellenland China eine Weltmacht zu formen. Fährt zudem einen streng nationalistischen Kurs.
Auch Xis Resolution dürfte massive Auswirkungen darauf haben, was in Zukunft an chinesischen Schulen und Universitäten gelehrt wird. Inhaltlich wird sie sich wohl stark am 531 Seiten schweren Manifest "Eine kurze Geschichte der Kommunistischen Partei Chinas" orientieren, das im Frühjahr feierlich veröffentlicht wurde. Knapp ein Viertel des Buches ist der Herrschaft Xis gewidmet – üppig, schließlich sind das bisher nur neun Jahre in der 100 Jahre umspannenden Parteigeschichte.
Das Motto ist klar: "Xi will zeigen, dass er alle positiven Aspekte der Parteigeschichte auf sich vereint und somit der perfekte Mann an der Spitze Chinas ist", erklärt die China-Expertin Susanne Weigelin-Schwiedrzik dem KURIER. Ihrer Meinung nach zeigen sowohl der Zeitpunkt, als auch das erzwungene historische Gewicht des Parteiplenums, dass es weniger darum geht, die Herrschaft Xis zu rühmen, als darum sicherzustellen, dass sie fortgesetzt wird.
Gegner in Lauerstellung
Denn auch wenn es aufgrund des ausgeprägten Personenkults nach außen so wirkt, als wäre Xi in China unantastbar, haben seine Entscheidungen in diesem Jahr für leise Kritik aus den eigenen Reihen gesorgt.
Vor allem seine Wirtschaftspolitik bietet Raum dafür: Xi prägt seit Kurzem den Slogan des "gemeinschaftlichen Wohlstands", obwohl die Einkommensschere zwischen Arm und Reich in der Volksrepublik seit der Corona-Krise noch weiter auseinanderklafft als zuvor schon. Während manche Bezirke der chinesischen Millionenmetropolen wirken wie aus einem Science-Fiction-Film entnommen, kam es in anderen Regionen auch in diesem Jahr zu tagelangen Stromausfällen. Zudem griff der Staat bei der Pleite des chinesischen Immobilienriesen Evergrande (bewusst) nicht ein, obwohl nach wie vor Hunderttausende Arbeitsplätze bedroht sind.
Auch wenn Xi die Amtszeitbeschränkung des Präsidenten erst 2018 aufheben ließ und somit ewig regieren kann, muss er alle fünf Jahre als Parteichef wiedergewählt werden. Das soll am 20. Parteitag geschehen, der im Herbst 2022 stattfinden soll. Doch der hat für die Kommunistische Partei eine fast mythische, unheilvolle Bedeutung: In der Sowjetunion hatte sich Nikita Chruschtschow seinerseits am 20. Parteitag 1953 gegen seinen verstorbenen Vorgänger Stalin gewandt und somit das Ende dessen Personenkults eingeleitet.
Vor diesem Hintergrund fürchten Xi und seine Getreuen, dass sich Gegner in der Partei formieren könnten. Wie wahrscheinlich ist also eine Abwahl Xis nächstes Jahr?
"Wenn der zwanzigste Parteitag nächstes Jahr wie geplant im September stattfindet, dann wird Xi wohl wiedergewählt", meint Weigelin-Schwiedrzik. "Sollte er aber nach hinten verschoben werden, so ist das ein Zeichen dafür, dass er sich des totalen Rückhalts innerhalb der Partei noch nicht sicher ist. Dann wird es spannend."
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