Ein Europagipfel, bei dem ein paar wichtige Akteure für den Frieden fehlen

Selenskij Ukraine Präsident
Am Donnerstag die Staats- und Regierungschefs, tags darauf jene der EU - das alles beherrschende Thema der Gipfeltreffen in Spanien: die Ukraine

Es sollte wieder einmal ein klares Signal an Präsident Wladimir Putin sein, dass Russland zumindest von Europa aus gesehen ziemlich isoliert da steht. Staats- und Regierungschefs aus rund 50 Länder haben sich am Donnerstag in Granada zum mittlerweile bereits dritten Gipfeltreffen der neuen „Europäischen Politischen Gemeinschaft“ eingefunden.

Erfunden hat dieses Format Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Es ist eine Art Angebot an all jene Länder, die der EU beitreten oder zumindest eng mit ihr kooperierten wollen – ohne auch wirklich dabei zu sein.

Und so traf in Granada gestern Europas gesamte höchste Politspitze ein, doch einer der wichtigsten Eingeladenen tauchte nicht auf: Ausgerechnet Aserbaidschans Staatschef Ilham Alijew kam nicht, von den von der EU vermittelten Friedensgesprächen zu Bergkarabach wollte er nichts hören.

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Die Stimmung sei „anti-aserbaidschanisch“, ließ er wissen – und stellte eine hilflos wirkende EU damit vor vollendete Tatsachen: Fast alle 120.000 Armenier sind mittlerweile aus der Enklave Bergkarabach geflohen – Aserbaidschan wird sie nicht zurückholen.

Gipfelgast war hingegen Ukraines Präsident Wolodimir Selenskij. Er komme mit ‚„substanziellen Vorschlägen für die neue Sicherheitsarchitektur in Europa“, schrieb er unmittelbar vor seiner Ankunft auf der Plattform X.

Ein Europagipfel, bei dem ein paar wichtige Akteure für den Frieden fehlen

Beratungen beim Europagipfel: Staats- udn Regierungschefs aus 50 Ländern

Der ukrainische Staatschef wirbt umso heftiger um weitere Unterstützung als sich die Zeichen für nachlassende Hilfe – vor allem seit der Rebellion der Republikaner aus den USA – mehren.

Auf der Wartebank

Die Ukraine steht deshalb heute auch beim eigentlichen EU-Gipfel in Granada im Mittelpunkt der Beratungen. Bundeskanzler Karl Nehammer ist dieses Mal allerdings krankheitsbedingt ausgefallen.

Immer dringlicher wird die Frage, wann mit Kiew EU-Beitrittsverhandlungen eröffnet werden sollen. Doch diese Frage zieht noch unendlich viele weitere Probleme nach sich:

Wird der Ukraine die Möglichkeit zu Beitrittsverhandlungen geboten – die freilich viele Jahre dauern würden – muss auch der Beitritt der anderen wartenden Länder beschleunigt werden.

Die Länder des Westbalkans sitzen schon seit Jahren auf der Wartebank und schleppen sich mit ihren Verhandlungen mühsam dahin. Oder sie warten wie im Falle Nordmazedoniens seit fast 20 Jahren noch immer auf das endgültige Grüne Licht für den Start von Verhandlungen: Erst hatte Griechenland blockiert, nun tut es Bulgarien.

250 Milliarden Euro

Bei all den Beratungen wie und wann welche Lände in die EU aufgenommen werden können, wartet aber ein riesiger Berg eigener, innerer Reformen auf die EU. Will sie sich um sechs bis neun Länder erweitern, müssen alle inneren Entscheidungsprozesse reformiert werden.

Und das größte aller Probleme dabei: Wer soll das alles bezahlen? Denn nach ersten Berechnungen, die der Guardian in Erfahrung gebracht haben will, könnte die Aufnahme der neuen Mitglieder mehr als 250 Milliarden Euro verschlingen.

Alle Agrarförderungen müssten umgeschichtet werden, bisherige Nettoempfänger-Staaten kön nten Nettozahler werden. Für heftiges Streitpotenzial beim Gipfel ist also heute gesorgt.

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