Drohne jagte erstmals selbstständig Menschen
Die Offensive ist gescheitert, die Truppen am Rückzug. Plötzlich taucht am Himmel eine Drohne auf, erkennt die Soldaten, jagt sie. Und das selbstständig. Ohne, dass sie jemand steuert. So lautet ein UN-Bericht, der sich mit der Situation in Libyen beschäftigt. Geschehen sein soll dies im März 2020, als sich die Truppen von General Khalifa Haftar auf dem Rückzug von der libyschen Hauptstadt Tripolis befanden.
Ob es Opfer gab, ist nicht bekannt. Es wäre das erste Mal gewesen, dass eine Drohne autonom, also auf sich allein gestellt, Menschen erfasst und verfolgt.
Laut UN-Bericht handelte es sich bei der Drohne um den Typ Kargu-2, ein Gerät des türkischen Drohnenherstellers STM. Für Oberst Markus Reisner ist der Vorfall keine Überraschung, doch ein Grund zur Sorge: „Angekündigt hat sich das schon lange. Die Kargu-2 wurde ja bereits präsentiert, von der Fachwelt zur Kenntnis genommen. Und die Türkei hat ihre Drohnen ja schon in Gebiete geliefert, wo sie außenpolitischen Einfluss nimmt. Sowohl nach Libyen als auch nach Berg-Karabach“, sagt er zum KURIER.
Wie funktioniert eine solche Drohne? „Sie kann sich ihr Ziel selbst suchen. Natürlich nicht im Sinne einer künstlichen Intelligenz, sondern durch Machine-Learning“. Die Drohne ist zwar fähig, dazuzulernen, muss aber noch immer vom Menschen programmiert werden. Reisner nennt ein Beispiel: „Nehmen wir einen geschlossenen Raum, in dem sich eine Wärmequelle, ein Lebewesen, befindet. Man kann den Roboter so programmieren, dass er diese Wärmequelle beschießt. Damit ist das kein intelligenter Roboter, sondern setzt die Befehle einfach um.“ Allerdings könne er dazulernen. „Etwa durchschauen, wie sich das Lebewesen bei einem Angriff verhält und das dann adaptieren“, sagt der Generalstabsoffizier.
Im Fall des Angriffs vom März 2020 geht Reisner davon aus, dass der Drohne zuvor Koordinaten eingegeben wurden und sie dann autonom in diesem Gebiet nach Lebewesen suchte. Nicht umsonst heißen solche Waffentypen „Loitering Weapons“, also etwa „herumlungernde Waffen“. Sieht sie dann eine Wärmequelle, stürzt sie sich selbstständig mitsamt ihrer Sprengladung auf ihr Ziel.
Und zwar auf jedes. „Eine solche Drohne kann zwischen Rotkreuz-Bus oder Truppentransporter nicht unterscheiden. In Bergkarabach etwa hat eine Drohne einen zivilen Bus angegriffen. So weit, dass es wirklich intelligente Drohnen gibt, sind wir noch nicht“, sagt Reisner.
Auch zivil problematisch
Wenn es einmal so weit sei, würde die Lage hochproblematisch. Die UNO versucht bereits seit Längerem, einen Vertrag auszuhandeln, in dem autonome Waffen verboten werden, unter anderem blockieren die USA und Russland dieses Vorhaben.
Der Trend autonomer Geräte lässt sich nicht aufhalten. Die Vorteile überwiegen – sowohl auf militärischer als auch auf ziviler Seite. Reisner: „Alle reden vom autonomen Fahren. Wir haben bis jetzt allerdings keine Antwort auf eine grundlegende Problematik.“ Fährt ein selbstfahrendes Auto in einer Unfallsituation eher in eine Gruppe kleiner Kinder oder gegen eine ältere Dame? „Aus unserem Rechtsverständnis ist das problematisch. Wenn wir uns auf die Europäische Menschenrechtskonvention beziehen, die sagt, dass das Leben des Menschen unangreifbar ist, stehen wir vor einem Dilemma.“
Kommentare