Diskret, neutral, royal: Seit 70 Jahren ist Elizabeth Queen
"Sie saß aufrecht da und akzeptierte ihr Schicksal voll und ganz": So beschrieb Prinz Philips damaliger Privatsekretär die Reaktion der 25-jährigen Elizabeth Windsor, als sie heute vor 70 Jahren, während einer Kenia-Reise, vom Tod ihres Vaters George VI erfuhr. Als Königin Elizabeth II. übernahm sie den Thron des Vereinigten Königreichs und feiert jetzt als erste britische Monarchin ein Platin-Jubiläum.
Rekorde brach sie schon früh.
Etwas mehr als ein Jahr nach der Thronbesteigung erlaubte sie, gegen den Rat von Traditionalisten wie Premier Winston Churchill, die Live-Übertragung ihrer Krönung in London im Fernsehen. Geschätzte 20 Millionen Briten, erstmals mehr als Radio-Zuhörer, scharten sich um die damals etwa 2,7 Millionen Fernsehgeräte im Land, um die Schwarz-weiß-Bilder der BBC zu verfolgen. Dank des auch im Ausland großen Interesses hatte die Welt ihr erstes TV-Großereignis.
1953: Elizabeth fotografiert anlässlich der Krönung
1960: In diesem Jahr hat sie Prince Andrew geboren
1971: Die Königin in Alltagskleidung fotografiert
1982: Das offizielle Porträt mit Hosenbandorden
1996: In diesem Jahr ließen sich Charles und Diana scheiden
2002: Die Queen fotografiert in Windsor Castle
2012: Das 60. Thronjubiläum wurde gefeiert
2021: "Queens Speech" im Oberhaus
Weit konventioneller und diskreter zeigt sich die Queen hingegen seit jeher, wenn es um Politik geht. In der Öffentlichkeit ist sie auf die strikte Wahrung ihrer Rolle als unpolitische Monarchin mit zeremoniellen Funktionen bedacht. "Als Staatsoberhaupt muss sich die Königin in politischen Angelegenheiten strikt neutral verhalten", betont etwa die Website der Royals. Sie geht nicht wählen. Auch wenn Gesetze in ihrem Namen erlassen werden, hängen sie nur formell von ihrer Zustimmung ab. Bei der jährlichen Parlamentseröffnung verliest sie zwar die "Queen's Speech", aber diese Regierungserklärung ist vom Team des Premiers verfasst. Und ihre wöchentliche Audienz mit dem Premier findet hinter verschlossenen Türen statt und ist vertraulich.
Gebot der Neutralität
"Es ist Verfassungstradition, dass Monarchen unparteiisch bleiben", erklärt der Historiker und Queen-Biograf Robert Lacey dem KURIER mit Hinweis auf die nicht kodifizierte britische Verfassung, die aus Gesetzen, Gewohnheitsrecht und Konventionen besteht. "Als Edward VIII. die geschiedene Amerikanerin Wallis Simpson heiraten wollte, gab es 1936 eine große Krise, und die Regierung zwang ihn zum Abdanken. Elizabeth II. lernte die frühe Lektion, dass ein Monarch tun muss, was die Regierung will, und sich nicht in Politik einmischen soll."
Trotz des politischen Pokerfaces der Rekord-Monarchin lesen Royals-Beobachter aber gerne aus dem Kaffeesud und suchen nach verschlüsselten Signalen. Brexit bot sich für solche Ratespiele besonders an. So berichtete die Sun vor dem Referendum, die Regentin habe Dinner-Gäste gefragt, "drei gute Gründe" für die EU-Mitgliedschaft zu nennen, sei also offensichtlich blaublütige Brexiteerin. "Das Referendum ist Sache des britischen Volkes", kam das Dementi aus dem Buckingham Palace; die Königin sei, wie immer, neutral.
2017 erinnerte dann manche ein königsblauer Hut mit gelben Blumen, den die Queen bei der Verlesung des Regierungsprogramms trug, an die Europa-Flagge und wurde als Zeichen der EU-Sympathie gewertet. "Es war ein Zufall", betonte ihre Ankleiderin.
Not amused mit den Premiers
Bereits 14 Premiers hat Elizabeth II. ernannt, ein weiterer Rekord (George III erlebte zwar ebenso viele Premiers, allerdings ernannte schon sein Sohn den letzten davon.)
Diskretion erwartet sie auch von ihren Premiers. Aus dem royalen Nähkästchen zu plaudern, gilt als Fauxpas. Das musste David Cameron 2014 herausfinden, als er verriet, die Queen habe auf das fehlgeschlagene schottische Unabhängigkeitsreferendum wie eine zufriedene Katze reagiert. "Sie hat in die Leitung geschnurrt," erzählte er. "Ich habe noch nie jemanden so glücklich gehört." Die Queen war not amused. "Es tut mir außerordentlich leid", sagte Cameron kleinlaut.
Dennoch tauchen in Presse, Film und Fernsehen immer wieder, vom Palast natürlich unbestätigte, Schilderungen von Konflikten mit Premiers auf. Das Verhältnis der Queen zur konservativen Margaret Thatcher soll eisig gewesen sein, unter anderem weil die Eiserne Lady die Apartheid in Südafrika akzeptiert und mit ihrer neoliberalen Wirtschaftspolitik die Kluft zwischen Arm und Reich erweitert habe, sind sich viele einig.
Auch mit Tony Blair von der Labour Partei soll die Queen ihre Probleme gehabt haben. Er selbst enthüllte, er habe den zu protokoll-treuen Umgang des Palasts mit dem Tod Prinzessin Dianas "vielleicht weniger feinfühlig als ich es hätte tun sollen" kritisiert. Und Berichten zufolge soll die Regentin über Blairs Gattin Cherie gewitzelt haben, weil sie den Hofknicks verweigerte.
Auch Boris Johnson ist ihr schon mehrmals negativ aufgefallen. So als er 2019 im Brexit-Machtkampf das Parlament in den Zwangsurlaub schicken wollte, was laut Höchstgericht rechtswidrig. war. Auch dafür, dass Regierungsmitarbeiter am Abend vor dem Begräbnis von Prinz Philip zwei Partys mit Tanz und Alkohol feierten, musste sich Johnson entschuldigen.
Churchill war zwar gegen Elizabeths Krönung im TV, gilt aber als einer ihrer politischen Lieblinge. So schrieb sie in einem Brief nach seinem Abgang: "Es wäre sinnlos, zu behaupten, dass einer seiner Nachfolger jemals den Platz meines ersten Premiers einnehmen könnte, dem mein Mann und ich so viel verdanken und für dessen weise Führung in den ersten Jahren meiner Regentschaft ich immer zutiefst dankbar sein werde."
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