Antisemitismus bei Corona-Protesten: "Das driftet immer mehr ab"

Antisemitismus bei Corona-Protesten: "Das driftet immer mehr ab"
Meron Mendel, Leiter der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank, über alte Feindbilder und Täter-Opfer-Umkehr bei den Corona-Demonstrationen.

Ein Mann trägt gestreifte Kleidung, die an die Uniform eines KZ-Häftlingen erinnert. In der Hand hält er eine Tafel mit der Aufschrift "Maske macht frei" - angelehnt an den Spruch über dem Torbogen des Vernichtungslagers Auschwitz "Arbeit macht frei". Andere wiederum haben Armbinden übergestreift mit der Aufschrift "ungeimpft" oder stellen sich, wie kürzlich in Kassel, auf die Bühne und vergleichen sich mit Widerstandskämpfern der Weißen Rose.

Immer öfter mischen sich unter den Protest gegen die Corona-Maßnahmen antisemitische Feindbilder und Elemente, die den Holocaust relativieren. Verfassungsschutzämter in mehreren deutschen Bundsländern orten dazu eine hohe Gewaltbereitschaft und warnen vor der Entstehung einer neuen Form des Extremismus. Der Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, stellte gar ein Erodieren der hart erkämpfte Erinnerungskultur fest, gleichzeitig würde dies die tatsächlichen Opfer verhöhnen. "Sie zeugen entweder auch von einer perfiden, bewussten Strategie oder einem Mangel von Empathie und Bildung auf vielen Ebenen", sagte er kürzlich mit Blick auf die Demonstranten.

Was dahinter steckt und welche Strategie mit der Täter-Opfer-Umkehr verfolgt wird, erklärt Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, im Gespräch mit dem KURIER.

KURIER: Herr Mendel, eine Elfjährige vergleicht bei einer Demo in Karlsruhe ihren Geburtstag unter Corona-Bedingungen mit der Lage von Anne Frank. Eine junge Frau spricht in Kassel bei einer Veranstaltung der Gruppe "Querdenken" davon, sich wie Sophie Scholl zu fühlen. Demonstranten tragen Davidsterne mit der Aufschrift "ungeimpft": Immer wieder gibt es seitens der Corona-Proteste Verweise auf Opfer aus der Zeit des Nationalsozialismus. Was geht Ihnen da durch den Kopf?

Meron Mendel: Ich habe fast ein bisschen Mitleid, dass sich diese Menschen in so einer Lage fühlen und auf absurde Vergleiche zurückgreifen. Ich bezweifle, dass das Mädchen aus Karlsruhe je das Tagebuch der Anne Frank gelesen hat. Auch die Frau aus Kassel weiß vermutlich nichts Substanzielles über die Geschichte der Weißen Rose. Abgesehen davon halte ich das alles für sehr gefährlich. Diese Opfer-Inszenierung als Verfolgte, Widerstandskämpfer und die Diskreditierung der deutschen Demokratie soll eine Ideologie bzw. Widerstand gegen die Regierung rechtfertigen. Damit wird letztlich auch Gewalt legitimiert, wie in Halle und Hanau. Beide Attentäter haben sich in ihren Manifesten als Opfer dargestellt, die so handeln mussten.

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