Nach 9/11: "Die Welt ist gefährlicher geworden"
Noch immer schwelte der Rauch aus den Trümmern des World Trade Centers, da marschierten die US-Truppen bereits in Kabul ein. Neun Wochen nach den verheerenden Anschlägen vom 11. September hatte die NATO in ihrem ersten großen Kriegseinsatz die Taliban in die Berge vertrieben.
Es schien nur noch eine Frage der Zeit, bis man Osama bin Laden finden und ausschalten würde. Die Beliebtheitswerte von US-Präsident George W. Bush stiegen in astronomische Höhen – am 21. September befürworteten 90 Prozent der US-Amerikaner seine Präsidentschaft. So beliebt war noch kein US-Präsident seit Beginn der Umfragen.
„Super-GAU“
Der „Krieg gegen den Terror“ war in vollem Gange. „Islamistischer Terror und auch El-Kaida waren kein unbekanntes Phänomen vor 9/11. Knapp ein Jahr zuvor hatte die Terrororganisation einen spektakulären Anschlag auf das US-Kriegsschiff USS Cole im Hafen von Aden (Jemen) verübt. Daher war Terrorismus durchaus auf dem Radarschirm westlicher Nachrichtendienste“, sagt Walter Feichtinger, Präsident des Center für Strategische Analysen, zum KURIER. „Aber die Angriffe am 11. September erfolgten in den USA – das war etwas ganz anderes und ein sicherheitspolitischer Super-GAU.“
Eines der ersten Ziele war es, dem Netzwerk der El-Kaida die Operations- und Trainingsbasis durch den Sturz des Taliban-Regimes zu nehmen – dieses wurde binnen weniger Wochen erreicht. Auch auf einer anderen Front rüstete man rasch hoch: Jener der Überwachung.
Am 26. Oktober 2001 unterschrieb Präsident Bush den USA PATRIOT Act, der die Rechte von US-Bürgern massiv einschränkte. Die Überwachung der Kommunikation durch staatliche Behörden war ohne richterlichen Beschluss möglich, Hausdurchsuchungen durften ohne Wissen der betroffenen Personen durchgeführt werden – auch die Einreise in die USA ist seither mit rigiden Sicherheitskontrollen verbunden. Im Laufe der Jahre kam in einer Reihe von Skandalen ans Licht, wie stark Behörden wie NSA oder FBI ihre Bürger überwacht hatten. Und das nicht nur in den USA. „Die Abwehrmaßnahmen wurden rigoros erhöht, ein eigenes Ministerium für den Heimatschutz wurde geschaffen und die Kontrollen enorm verschärft. Die US-Bevölkerung, aber auch Besucher und Reisende zahlen dafür einen hohen Preis im Alltag“, sagt Feichtinger. Allerdings habe es seit 9/11 keinen islamistischen Terroranschlag in den USA mehr gegeben.
Geburt des IS
Sehr wohl aber in Ländern wie Afghanistan und dem Irak. Nach dem Einmarsch der US-Truppen in Bagdad – abermals nach einem raschen Feldzug, der die militärische Überlegenheit der USA im konventionellen Bereich unter Beweis stellte – bildeten sich Terrorzellen, die unter anderem in die Entstehung der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) mündeten. Hat dieser „Krieg gegen den Terror“ die Welt unsicherer gemacht? Feichtinger: „Mit dem Krieg gegen den Terror wurde der Versuch unternommen, weltweit Allianzen zu schmieden, um gegen diese zunehmende Bedrohung vorzugehen.
„Die Welt ist durch diesen Krieg auch gefährlicher geworden, weil Terrorbekämpfung in den Fokus gerückt wurde.“ Dennoch hätten im Irak wie in Afghanistan realistische Ziele für die Zeit nach dem Sturz des jeweiligen Machthabenden gefehlt: „Die wichtigste Lehre überhaupt besteht darin, dass eine nachhaltige Systemänderung in einem Land letztlich nur durch die dortige Gesellschaft erfolgen kann. Man kann von außen unterstützen und helfen, aber nicht mehr“, sagt der Sicherheitsexperte.
Doch nicht nur im Nahen Osten haben Terrorgruppen für Chaos und Schrecken gesorgt. Der IS etwa hat mittlerweile Ableger von Mali bis auf die Philippinen.
Die Globalisierung und Digitalisierung hat auch dem Terrorismus geholfen. Tausende wurden aus Europa rekrutiert – und seit 2015 wird auch der alte Kontinent wieder vermehrt vom islamistischen Terror heimgesucht. Hand in Hand gingen und gehen damit drastisch erhöhte Sicherheitsmaßnahmen: „Die größte Verbesserung gibt es vermutlich in der nationalen und internationalen Zusammenarbeit und beim Austausch von Daten, wie auch die Aufarbeitung des Terroranschlags in Wien Anfang November 2020 gezeigt hat.
Dadurch konnten bisher sicherlich mehrere geplante Anschläge verhindert werden – aber natürlich gibt es keine 100-prozentige Sicherheit. Europa bleibt auch weiterhin ein attraktives Ziel für den Terror, weil wir unseren Lebensstil nicht ändern werden!“, ist Feichtinger überzeugt.
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