„Die Spardiktate treiben uns in den Ruin“
Das Geschäfts- und Wohnviertel „Samblas“ im Osten von Madrid hat schon bessere Zeiten erlebt, moderne Bürotürme, riesige Schauräume nobler Automarken, zeugen davon. Der Boulevard Alcalá ist immer noch breit, doch rechts und links der Straße haben Restaurants und Boutiquen geschlossen.
Bier wird noch in manchen Ecklokalen ausgeschenkt, hier klagen Menschen ihr Leid. In dem noch vor wenigen Jahren florierenden Stadtteil sind viele Gebäude leer, die Glasfassaden stumpf, die Fenster der Wohnungen weit aufgerissen, „zu verkaufen“ steht in Großbuchstaben überall.
Zu verkaufen: Ein frommer Wunsch, Spanien ist das Epizentrum der Arbeitslosigkeit, täglich verlieren 1900 Menschen ihre Jobs. Sechs Millionen sind es insgesamt, darunter viele Junge.
Raimundo Perez hat noch nie einen Job gehabt, der 28-jährige Architekt mit Zusatzdiplomen in Psychologie und Wirtschaft sieht in Spanien keine berufliche Perspektive mehr. „Ich werde in den nächsten Wochen in ein lateinamerikanisches Boomland auswandern, die Papiere habe ich schon.“
„EU ist die Gefahr“
Von der Politik ist Raimundo enttäuscht, so wie viele seiner Landsleute. Die spanische Arbeits- und Sozialministerin María Fátima Banez Garcia weiß nicht mehr weiter. Beim Kongress des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) appellierte sie an die EU: „Wir brauchen jetzt dringend die Gelder aus dem Sozialfonds, um die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Die Lage ist katastrophal.“
Das kann Cándido Méndez, Generalsekretär der spanischen Gewerkschaft UGT, nicht hinnehmen. „Die EU ist keine Hoffnung, sie ist die Gefahr“, donnert er los: „Die Spardiktate treiben uns in den Ruin, das sagt sogar der Währungsfonds. Was ist das für eine Politik, die nur Banken rettet, aber nicht Menschen?“. Im Gespräch argumentiert er dann differenzierter. „Die Politik in Spanien hat es in 25 Jahren verabsäumt, Wachstum und Beschäftigung in Einklang zu bringen. Die haben gedacht, Jobs entstehen von alleine“, sagt er zum KURIER.
Dass in Spanien noch keine gewaltsamen Unruhen ausbrechen, führt er auf die Solidarität in der Gesellschaft zurück: „Wir haben starke Familien, aber langsam können wir nicht mehr.“
Auch Spitzengewerkschaftern aus der ganzen EU, die am Montag nach Madrid gekommen sind, reicht es. Sie bestellten EU-Kommissare und Parlamentspräsident Schulz hier in die Vorstadt, um gemeinsam Lösungen für den Kampf gegen Arbeitslosigkeit zu finden.
Eines hat der EGB-Kongress aber auch gezeigt: Klassenkampf schafft keine Jobs. Dazu Foglar: „ Das heimische Modell der Sozialpartnerschaft bringt uns alle weiter. Wir brauchen beides: Wachstum und Beschäftigung.“
Spanien in der Krise
Wohnen In Spanien stehen mehr als drei Millionen Wohnungen leer. Jeden Tag werden an die 500 Wohnungen zwangsgeräumt.
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