Weniger als zwei Wochen bis zur Wahl in Frankreich – doch bereits jetzt sieht es so aus, als hätte Präsident Emmanuel Macron den Sieg in der Tasche. „Sein Lager an Unterstützern hat in den vergangenen fünf Jahren immer stabil 25 Prozent betragen, egal ob Gelbwesten-Proteste oder Pandemie. Jetzt, seit dem Ukraine-Krieg, ist es sogar auf 30 Prozent gestiegen“, schildert Joseph de Weck. Und dies, so meint der Schweizer Wirtschaftshistoriker und Autor eines viel beachteten Buches über Macron, werde den Präsidenten ohne Mühe in die zweite Wahlrunde Ende April tragen.
Sollte der französische Staatschef dann wieder gegen die Rechtspopulistin Marine Le Pen antreten, „dann wird Macron vielleicht mit einem geringeren Vorsprung, aber dennoch wieder klar gewinnen.“
Anders als noch vor fünf Jahren ist die Migration nicht mehr das große Thema. Was die Franzosen nun viel mehr beschäftige, seien Lohnentwicklung, Kaufkraft, Inflation, steigenden Sprit- und Energiepreise, schildert de Weck im Gespräch mit dem KURIER.
Linke Ideen
Linke Ideen verfolgt auch Macron: Er setzte die Besteuerung der amerikanischen Digitalriesen durch, er erhöhte die Mindestlöhne. Vor allem aber habe Macron geschafft, „woran seine Vorgänger Chirac, Sarkozy und Hollande gescheitert sind: Er hat Frankreich wieder auf den Wachstumspfad gebracht, die Investitionen steigen wieder. Und die Arbeitslosigkeit liegt heute bei für Frankreich niedrigen 7,4 Prozent“, sagt der Historiker und Politologe.
Trotzdem: „Die Franzosen lieben Macron nicht.“ Zu sehen sei das an Dauerprotesten. Seit 1968 habe es in so kurzer Zeit noch nie so viele Streiks wie in der Ära Macron gegeben. Geschuldet sei dies einer Art „Bulldozerpolitik“, einer technokratischen, aber „teils auch sehr autoritären Republiksführung“.
De Weck, der in der Vorwoche auf Einladung des Renner-Institutes in Wien war, sieht den 44-jährigen Präsidenten durchaus kritisch: „Macron hasst Partikularinteressen, deswegen mag er auch keine Gewerkschaften. Er versteht sich selbst so: Er steht über den Dingen.“
Auf diesem Weg habe Macron zwar viele Reformen durchgesetzt – Liberalisierung des Arbeitsmarktes, Senkung der Lohnstückkosten, die Renten- und Steuerreform –, doch anders als versprochen habe der junge Präsident das Land nicht mit sich selbst ausgesöhnt.
De Weck sieht in Emmanuel Macron „den mächtigsten Präsidenten seit Charles de Gaulle. Er kontrolliert den Elysée, die Regierung und das Parlament. In seinen Händen konzentriert sich die ganze Macht.“
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