Nach dem Schock des ersten Lockdowns waren sich Europas Staats-und Regierungschefs bald einig: Im Juli wurde ein gewaltiges Hilfspaket in der Höhe von insgesamt 1.800 Milliarden Euro geschnürt, um die verheerenden wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise abzufedern.
Und schon ab Jänner – so die große Hoffnung – sollten die ersten Hilfsmilliarden an die am schwersten betroffenen Länder fließen.
Doch mittlerweile senkte sich bereits ein zweiter Lockdown über nahezu ganz Europa. Und so gut wie sicher ist: Von den versprochenen Corona-Milliarden wird im Jänner niemand etwas sehen. Um mehrere Monate droht sich der Beginn der Auszahlungen zu verzögern.
So warnte am Montag Manfred Weber, Chef der Fraktion der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament vor einer Blockade: „Wenn die Coronahilfen nicht ab Anfang 2021 fließen können, dann würde der Wiederaufbau nach der Coronakrise verzögert und Vertrauen in die Politik verloren gehen“, sagte er gegenüber der Bild.
Grund ist ein hitziger Streit zwischen den Staaten und dem EU-Parlament: Aber ohne Zustimmung des Parlaments gibt es keinen künftigen europäischen 7-Jahres-Haushalt. Und ohne diesen wiederum kann der zusätzliche, 750 Milliarden schwere EU-Wiederaufbaufonds nicht befüllt werden.
Geldsanktionen
Im Grunde hakt es an zwei Streitpunkten: So pocht das EU-Parlament vehement darauf, dass Rechtsstaatssünder künftig mit Geldentzug bestraft werden sollen.
Dabei kam man sich zwar vergangene Woche näher: So einigten sich Regierungen und Parlament darauf, dass Gelder aus den Agrar- und Regionalfonds gleich gar nicht mehr ausgezahlt werden könnten, wenn in einem Mitgliedsstaat ein Bruch der Rechtsstaatlichkeit festgestellt wird.Dieses Gesetz könnten Ungarn und Polen, das von diesem neuen Mechanismus am stärksten betroffen wären, nicht verhindern.
Doch Warschau und Budapest hätten eine heftigere Vetokeule: Sie könnten das gesamte Corona-Hilfspaket sprengen – denn dieses muss einstimmig von allen EU-Staaten angenommen werden.
Diese Sorge aber teilen in Brüssel nicht alle: Denn sowohl Ungarn als auch Polen gehören zu den größten Nettoempfängern der EU-Milliarden. Stimmen sie also gegen die großen Geldtöpfe, würden sie sich letztlich selbst am meisten schaden, hört man in Brüssel allenthalben.
Zweiter Streitpunkt: Das EU-Parlament protestiert gegen Kürzungen im Bereich der Forschung und bei Bildungsprogrammen. Man verlangt eine Aufstockung von 39 Milliarden Euro.
Dabei aber stoßen die EU-Abgeordneten bei den Regierungen auf Granit. Allerhöchstens bis zu 10 Milliarden Euro könne man über bestimmte Umschichtungen locker machen – mehr aber nicht.
„Hier sind die Fronten derzeit sehr verhärtet“, weiß ein mit den Gesprächen vertrauter EU-Insider. „Aber die Schwarzmalerei, die es rund um die Verhandlungen gibt, muss man auch nicht glauben.“
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