Rückzug ab Dezember
Kramp-Karrenbauer zog nun die Konsequenzen: Sie will sich mittelfristig vom Amt der Parteichefin zurückziehen und bei der nächsten Bundestagswahl nicht fürs Kanzleramt kandidieren, kündigte sie gestern an. "Diese Entscheidung ist seit einer geraumen Zeit in mir gereift und gewachsen."
Bis man einen Spitzenkandidaten gefunden hat, will sie die CDU aber weiter führen. Eine Entscheidung sollen die Delegierten beim Parteitag im Dezember herbeiführen. Den Findungsprozess will sie noch mitbestimmen.
In der CDU ist nun vieles offen, was bleibt, ist folgende Tatsache: Wer auch immer ihr nachfolgt, erbt dieselben Probleme. Die CDU erlebt seit Jahren schwere Wahlverluste und ist gespalten in der Frage, wie sie mit der AfD umgehen soll. Zwar gibt es einen Beschluss vom Parteitag 2018, der jegliche Zusammenarbeit verbietet – auch am Sonntag haben sich SPD und Union noch einmal dazu verständigt –, doch wie sich in Thüringen zeigte, gibt es Landesverbände, die ihr eigenes Ding durchziehen.
Und nicht nur dort, auch in anderen östlichen Verbänden rütteln Politiker an der „Brandmauer“ gegen die AfD, teils durchaus aus Sympathie, aber auch weil sie glauben, so wieder Stimmen zu gewinnen. Gleichzeitig gibt es Vertreter, die für eine Öffnung zur Linkspartei plädieren, die etwa in Thüringen stärkste Kraft ist. Daniel Günther, Ministerpräsident in Schleswig-Holstein, ist ein prominenter Fürsprecher. Aus seiner Sicht ist der Abstand der CDU zur AfD größer als zur Linkspartei.
In Berlin will man von beiden nichts wissen, was bei den Ostverbänden den Eindruck stärkt, man würde sie nicht verstehen und ernst nehmen. Das nützen jene aus, die in der CDU eine Art innerparteiliche Opposition bilden: Die "WerteUnion" zählt nicht zu den offiziellen Parteigliederungen, ist ein Verein mit etwa 1.000 Mitgliedern, tritt aber lautstark auf. Vieles, was sie befürworten, klingt so wie die AfD. Darauf angesprochen, verweisen sie meist darauf, dass es früher CDU-Positionen gewesen seien, die von Merkel und ihrer Nachfolgerin aufgegeben worden seien. Mit dieser Erzählung tingelten sie auch durch die Wahlkämpfe in Ostdeutschland. Im Konrad-Adenauer-Haus ist man darüber schon länger verärgert, Kramp-Karrenbauer sprach sogar von einer "Tea-Party"-Bewegung – geholfen hat es nicht.
Am Montag fand die Noch-Parteichefin dazu erneut Worte: Wenn dort von Gemeinsamkeiten mit der AfD geredet werde, entferne man sich dort vom Werte-Fundament der CDU. Jeder, der der "Werte-Union" nahesteht, müsse sich die Frage stellen, ob er noch auf dem Werte-Kontext der CDU stehe.
Gescheitertes Experiment "Ämtertrennung"
Den Richtungsstreit zu beenden, wird nun Aufgabe der nächsten Führung. Dass ihr dies nicht gelungen sei, dafür machte Kramp-Karrenbauer indirekt auch ihre Rolle verantwortlich, in der sie sich keine Autorität verschaffen konnte: Die – von Kanzlerin Merkel beförderte – Aufteilung der Ämter sei ein Fehler gewesen. "Die Trennung von Kanzlerschaft und Parteivorsitz, die offene Frage der Kanzlerkandidatur schwächt die CDU in einer Phase, in der die Politik in Deutschland (...) auf eine starke CDU angewiesen ist."
Mit der Kanzlerkandidatur sei auch die Führungsfrage ungeklärt geblieben, so Kramp-Karrenbauer. Trotz zwei Parteitagen (beim letzten stellte sie die Vertrauensfrage) wäre diese Debatte nicht zur Ruhe gekommen - "Und manche hätten sie auch nicht zur Ruhe kommen lassen wollen", erklärte sie mit Blick auf ihre Gegner, die sie immer wieder öffentlich direkt oder indirekt kritisierten.
Für Angela Merkel, die den Rückzug Kramp-Karrenbauers am Rande einer Pressekonferenz bedauert ("Sie hat wesentliches angestoßen und in Gang gebracht"), könnte dieser noch Folgen haben: Die Ämtertrennung diente dazu, dass sie bis Ende der Legislaturperiode Kanzlerin sein kann. Ob das so bleibt, hängt davon ab, wer künftig im Foyer des Adenauer-Hauses steht.
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