Deutschland wählt: Mit "Links" ist alles möglich
Alle reden über sie, aber ob nach dem 26. September einer mit ihnen spricht, ist ungewiss: Die Linkspartei ist seit Wochen Thema – auf den Wahlkampfbühnen und in den Fernseh-Konfrontationen. Seit Umfragen die SPD vorne und unter anderem eine Mehrheit für ein Bündnis mit Grünen und der Linken sehen, warnen CDU/CSU und FDP vor einem „Linksrutsch“. Und richten an SPD und Grüne immer wieder die Frage: „Wie haltet ihr es mit den Linken?“ In den Landesparlamenten von Thüringen, Berlin und Bremen regieren sie bereits zusammen, allerdings geht es dort nicht um außenpolitische Belange. Im Bund vertritt die Linke dazu Ansichten, die auch für SPD wie Grüne schwer bis nicht akzeptabel sind.
Problemzonen
Da geht es etwa um das Verhältnis mancher Linken-Politiker zu autoritär Herrschenden, die mit Putin-freundlichen Sagern für Aufregung sorgten. Oder sich für Venezuelas Machthaber Nicolás Maduro stark machten. Besonders schwer wiegt die ablehnende Haltung der Linken gegenüber NATO und Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Im Bundestag hat sie sich kürzlich bei der Abstimmung über den Evakuierungseinsatz in Afghanistan der Stimme enthalten.
SPD und Grüne bezeichnen sie daher als „nicht regierungsfähig“. „Wenn man die außenpolitische Handlungsfähigkeit einer Regierung nicht sicherstellen kann, gibt es keine Regierungsgrundlage“, richtete Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock via Süddeutsche Zeitung aus. Olaf Scholz (SPD) formulierte als Bedingung „für alle potenziellen Koalitionspartner“ ein klares Bekenntnis zur NATO und EU.
Damit sind die Hürden für Rot-Rot-Grün gesetzt. Grundsätzlich wollen weder Scholz noch Baerbock diese Koalition offiziell ausschließen. Um die eigenen Parteilinken, die von diesem Bündnis träumen, nicht zu vergrämen; um sich Optionen offen zu halten; und um ein Druckmittel zu haben: Sollte es bei Sondierungen mit der FDP knirschen, könnte die Linke als dritter Partner für Rot und Grün in Frage kommen. Die Schnittmengen mit der Linken wären jedenfalls größer, wenn es darum geht, Hartz IV zu reformieren, Klimaschutz zu forcieren, eine Kindergrundsicherung einzuführen, Steuern für Besserverdiener zu erhöhen und untere und mittlere Einkommen zu entlasten.
Pragmatiker
So viel zu den Parallelen – und zurück zu den Differenzen: In der Linkspartei war bisher kaum Bereitschaft zu erkennen, die außen- und sicherheitspolitische Linie zu ändern. Zuletzt kam etwas Bewegung in ihre Reihen. Man wolle Grünen und SPD in der Verteidigungspolitik entgegenkommen, um ein Bündnis möglich zu machen, erklärte Spitzenkandidat und Fraktionschef Dietmar Bartsch. Er gehört zu denen, die regieren wollen. Genauso wie Ex-Parteichef Gregor Gysi, der im KURIER-Gespräch wissen ließ, dass es nach 30 Jahren Opposition an der Zeit sei, „eine andere Rolle zu spielen“.
Abgesehen von der inhaltlichen stellt sich für die Linke eine noch wesentlichere und existenzielle Frage: Schaffte sie es über die 5-Prozent-Hürde? 2017 erreichte sie 9 Prozent, in Umfragen kommt sie aktuell auf 6 bis 8 Prozent. Der Abstieg zeichnete sich bei den Landtagswahlen ab: Besonders im Osten, wo sie einst Protest- und Volkspartei war, hat ihr die AfD den Rang abgelaufen. In Sachsen-Anhalt verlor sie im Juni 11 Prozentpunkte.
Ob die Linke nach dem 26. September als Gesprächspartner gefragt ist, wird vom Wahlergebnis abhängen. Und davon, was passiert, wenn sich etwa Rot-Grün-Gelb zuerst zusammensetzten und dann doch nicht miteinander könnten.
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