Von allen drei Anwärtern auf das Kanzleramt stand er am Sonntag unter besonders strenger Beobachtung. 95 Minuten Sendezeit – so lange hatte er, um vor knapp 11 Millionen Zusehern die "Trendwende" einzuläuten. Diese Maßstäbe hatte ihm die bayerische Schwesterpartei CSU gesetzt. Es sei die "letzte Chance", tönte sein Rivale um die Kanzlerkandidatur, Markus Söder, vor dem Wochenende. Nach diesem schrieb er auf Twitter etwas von "Punktsieg" und "einer Trendwende".
Ob diese wirklich gelingt, wird sich in den nächsten zwei Wochen zeigen, spätestens am 26. September. Die ersten Zahlen sprechen nach dem TV-Schlagabtausch mit Scholz und Baerbock jedenfalls gegen Laschet. Die Mehrzahl der befragten Zuseher kürten den SPD-Mann zum Gewinner des "Triells". 41 Prozent der Teilnehmer einer repräsentativen Umfrage von infratest dimap fanden ihn am überzeugendsten. Laschet kam bei den Zusehern auf 27 Prozent, Baerbock fanden 25 Prozent am überzeugendsten.
Laschet, so viel bleibt vom Abend übrig, hat es immerhin versucht. Er konfrontierte Scholz mit der Linkspartei, die der SPD-Kandidat für eine Koalition nicht dezidiert ausschließt. Und er sprach dessen Rolle im Finanzskandal Cum-Ex und Wirecard an, ebenso die Ermittlungen gegen die deutsche Antigeldwäschebehörde. Im Zuge dessen schaute nämlich die Staatsanwaltschaft in Scholz’ Finanzministerium vorbei. Tatsächlich war es Laschet gelungen, den Hanseaten aus der Reserve zu locken. Wie das erste Urteil der "Triell"-Zuseher zeigt, hat es ihm aber (noch) nicht richtig geschadet. In den Umfragen der vergangenen Wochen hatte Scholz' SPD den Vorsprung auf 25 Prozent ausgebaut und liegt sechs Punkte vor der Union.
Im politischen Berlin fragen sich viele daher vorsorglich: Was wird aus Laschet? Sollten sich die Prognosen bewahrheiten, und es nicht für das Kanzleramt reichen, ist fraglich, ob er weitermachen kann. Dazu geistern mehrere Szenarien umher. Etwa, dass Laschet als Zweitplatzierter alles dransetzen wird, um doch eine Jamaika-Koalition mit Grüne und FDP zusammenzubasteln. Andernfalls könnte er zwecks Machterhalt als Juniorpartner regieren – an der Seite von SPD und FDP. Diese Aussicht dürfte für die Abgeordneten nicht gerade prickelnd, aber ihnen lieber sein, als auf der Oppositionsbank zu landen.
Sollten sich Grüne und SPD näher stehen – diesen Eindruck hatte man beim Triell bei mehreren Themen – und sie einen anderen Dritten finden, wird es für die Union bitter. Ob die Abgeordneten dann Laschet, der die Wahl vergeigt hat, zum Oppositionsführer küren, ist ungewiss. Unter ihnen haben sich viele Söder gewünscht, da er ihre Jobs am ehesten sichere. Abgesehen davon stellt sich die Frage, ob Laschet in den Bundestag einziehen kann. Er hat auf eine Direktkandidatur in seinem Aachener Wahlkreis verzichtet und kann nur über die Landesliste rein.
"Kein Rückfahrticket"
Die Option als Ministerpräsident nach Nordrhein-Westfalen zurückzugehen, hat er sich selbst genommen ("Kein Rückfahrticket"). Sein Anspruch, CDU-Chef zu bleiben, könnte ihm streitig gemacht werden. Friedrich Merz, der gerade an seiner Seite wahlkämpft, ist ein dritter Anlauf zuzutrauen. Diesen Eindruck bekam man zuletzt beim CDU-Wirtschaftsrat, wo er eine Vorsitzenden-ähnliche Rede hielt.
Herfried Münkler, einer der renommiertesten Politikwissenschaftler des Landes und Kenner der Partei, schließt nicht aus, dass der CDU sehr schwierige Jahre bevorstehen. Ähnlich wie sie die SPD durchgemacht hat.
Die nächsten zwei Wochen will Laschet aber noch kämpfen. Zuletzt stellte er ein Zukunftsteam vor, das – bis auf Merz – mit unbekannten Personen besetzt ist. Welche Rolle sie einnehmen sollen, ist unklar. Und am Montag kam noch ein "Sofortprogramm" an, da er in den ersten 100 Tagen als Kanzler umsetzen will (u. a. Videoüberwachung an öffentlichen Orten, Entlastung kleinerer und mittlerer Einkommen) – was aber, wenn all das am Ende nicht mehr zündet? In der Union, da sind sich viele sicher, könnte es dann richtig krachen.
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