Am Fluss waschen Frauen die Wäsche, deren leuchtende Farben sich als bunte Tupfen vom satten Grün der Umgebung deutlich abheben. Sogar Bananenstauden und Palmen gedeihen hier. Wasser gibt es in Überfluss – ganz im Gegenteil zur sonstigen Landschaft im Norden Kenias, die seit Jahren unter einer todbringenden Dürre leidet.
Lulu heißt das kleine Dorf, das sich idyllisch an den Berghang schmiegt. Und es ist jetzt das Zuhause von Lketinga Leparmorijo, den alle nur „The White Massai“ (den weißen Massai) nennen. Allein: Er ist weder weiß noch Massai, sondern gehört dem kleineren, aber dem der Massai verwandten Stamm der Samburu an. Und er ist der Ex-Ehemann der Schweizerin Corinne Hofmann, die sich während eines Kenia-Aufenthaltes 1986 in den damaligen Krieger verliebte, das Jahr darauf zu ihm zog, ihn trotz eines bürokratischen Hürdenlaufes heiratete und mit ihm ein Kind zeugte. Doch letztlich scheiterte das interkulturelle Experiment 1990.
Das Buch („Die weiße Massai“ – siehe unten), das die heute 62-Jährige über diese Zeit verfasste, wurde zum internationalen Bestseller und später auch verfilmt – „Die weiße Samburu“ hätte wohl nicht den durchschlagen Erfolg gehabt.
„Es stimmt alles, was Corinne geschrieben hat“, will der mittlerweile 56-Jährige gegenüber dem KURIER gar keine andere Version der so unglaublichen, bisweilen für ihn wenig schmeichelhaften Geschichte auftischen.
Ruhig und mit festem Blick erzählt der Mann, auf dem Boden hockend, dass er seine Tochter, die er mit der Schweizerin hat, zuletzt vor sieben Jahren gesehen habe, sie habe ihn in seiner Manyatta (Hütte) besucht. Über WhatsApp, sagt der extrem hagere Mann mit dem für Samburu so typischen Stock, sei er mit ihr in mehr oder weniger regelmäßigem Kontakt. Das Problem sei halt, dass er nicht so toll Englisch könne und seinen Tochter nur ganz schlecht seine Samburu-Sprache Maa.
Was kein Wunder ist, flüchtete doch Corinne Hofmann gemeinsam mit ihrer Tochter Napirai in die alte Heimat, als diese gerade einmal 18 Monate alt war. Die Mutter selbst wog da laut eigenen Angaben in Folge von Krankheiten (Malaria, Hepatitis) bloß noch 49 Kilogramm. Auch die Gewaltausbrüche Lketingas und seine krankhafte Eifersucht, die ihr kaum Luft zum Atmen ließ, machten der Schweizerin zu schaffen.
Polygamie als Normalfall
Und die kulturellen Unterschiede waren auf Dauer offenbar unüberbrückbar: Denn Männer besitzen in dieser Stammesgesellschaft alles, haben alleine das Sagen in der Familie und bestimmen über meist mehrere, mitunter viel, viel jüngere Frauen. Diese haben keine Rechte, sondern nur Pflichten, was Haushalt, Kindererziehung oder Wasserversorgung anbelangt.
Wenigsten beschnitten wurde Corinne Hofmann nicht (im Unterschied zu allen anderen Frauen vor der Hochzeit) – ihr Mann habe allen vorgegaukelt, dass weiße Frauen schon als Babys die Tortur über sich ergehen lassen müssten, schreibt sie.
Wie alles begann
„Als die beiden gingen, war das okay für mich, ich war nicht traurig“, sagt der frühere Krieger heute trocken. Nach anfänglichem Zögern unterschrieb er die Papiere, sodass Mutter und Kind ausreisen durften.
Damit endete die Story zunächst, die in den 1980er-Jahren ihren Anfang genommen hatte. Als athletischen Krieger lernte die Schweizerin Lketinga in Mombasa kennen und war ihm vom ersten Augenblick an verfallen. Wie ein „junger Gott“ sah er aus, schreibt die damalige Touristin in ihrem ersten Buch später. Sie war mit ihrem Freund nach Kenia gekommen. Zurück in der Heimat trennte sie sich von dem Mann, verkaufte ihr Brautwaren-Geschäft und ihr Auto und kehrte in das afrikanische Land zurück – um zu bleiben, in Lketingas mit Kuhdung verputzter Bleibe in dem Ort Barsaloi, ohne Wasser, ohne Strom, mit einer Kuhhaut und Strohmatte als „Bett“ auf dem lehmigen Boden. Sogar Nebenfrauen hätte sie laut eigenen Aussagen akzeptiert – doch soweit kam es nicht.
„Ich war sehr aufgeregt, als ich mit ihr zusammenkam. Ich meine, ich war Moran (Krieger), sie eine Mzungu (eine Weiße). Ich dachte, dass das vielleicht nicht gut wäre“, erinnert sich der Mann. Doch ein Vorteil, fügt er schmunzelnd hinzu, sei schnell klar gewesen: „Ich war unter den Morans sehr geachtet und wurde sofort der Chef-Moran, weil ich eine Weiße als Frau hatte.“ Dass die sich nicht – wie andere – immer und bedingungslos unterordnete, war mitunter nicht leicht für den so stolzen Krieger.
Dennoch würde er heute, mit dem nötigen Abstand, jungen Samburu-Männern nicht davon abraten, eine Weiße zu heiraten, „no problem“, sagt er dazu, eine geflügelte Wendung, die hier in der gesamten Region stets zu hören ist, „hakuna matata“, wie es auf Kisuaheli heißt.
Zwei weitere Ehen
Nach der Trennung heiratete Lketinga in Barsaloi ein zweites Mal, später übersiedelte er in das verschlafene Dorf Lulu (eine Motorradstunde entfernt von Barsaloi), um eine weitere Frau zu ehelichen. Aus der zweiten Beziehung stammen zwei Kinder, aus der dritten sechs, wie er sagt.
Ruhig und meist ereignislos verrinnen hier die Tage. Wenn nicht gerade wieder einmal Journalisten vorbeischauen, die den „weißen Massai“ besuchen und die Story aus seinem Mund hören wollen. Für diese hat er dann handgeschriebene „Visitenkarten“ parat, für uns auch.
Größter Wunsch
Von den Tantiemen, die Buch und Film seiner Ex-Frau einbringen, bekommt er einen Teil ab. Corinne Hofmann einmal in einem Interview dazu: „Das ist mir wichtig, denn er ist der Vater meines Kindes.“
Als solcher hat er, wie er am Ende des Gesprächs verrät, vor allem einen Wunsch: „Ich würde meine Tochter sehr gerne in Europa besuchen, aber das ist wohl unmöglich.“
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