Wo die Masai ihre Ziegen vor Löwen schützen müssen: Kenia

Wo die Masai ihre Ziegen vor Löwen schützen müssen: Kenia
Die Steppe erscheint endlos, doch der Lebensraum ist umkämpft: Im Masai Mara-Naturschutzgebiet im Südwesten Kenias gilt es, die Bedürfnisse von Tieren, Touristen und der ansässigen Masai-Bevölkerung unter einen Hut zu bringen. Das „Kilima Camp“ zeigt, wie es gehen kann.

Eine Alm mitten in Afrika? Auf den ersten Blick sieht es so aus. Fährt man vom Flugfeld aus die holprige Straße zum „Kilima Camp“ empor, ändert sich die Vegetation schlagartig. Statt der typischen Akazien, die die Steppenlandschaft weiter unten überziehen, wachsen stattliche Bäume und Sträucher an den Hängen, die Luft ist frisch, die Wiesen sehen saftig aus. Die Stiere, die hier unter Aufsicht von Masai-Hirten grasen, gehören einem Tiroler, werden wir später erfahren.

Doch da sind auch noch Paviane. Und Zebras. Und Giraffen. Sie werden am nächsten Morgen bis auf wenige Meter an die Zelte herankommen, in denen Gäste die Nacht verbringen: Insgesamt fünfzehn solcher Unterkünfte sind entlang eines Bergrückens gruppiert, jede mit Aussicht auf die Steppe und den Mara-Fluss, der das Grasland durchzieht.

Wo die Masai ihre Ziegen vor Löwen schützen müssen: Kenia

Anders als zahlreiche andere Lodges im Masai- Mara-Naturschutzgebiet, das an die in Tansania gelegene Serengeti anschließt und zu den Safari-Hotspots Kenias zählt, ist das „Kilima Camp“ nicht mit einem Elektrozaun abgesichert, was die Kontaktmöglichkeiten von Mensch und Tier erhöht – und mehr Wachsamkeit erfordert. Doch das Camp, ein eher kleiner Player in dem Gebiet, in dem auch die luxuriöse „Mahali Mzuri“-Lodge von Milliardär Richard Branson in unmittelbarer Nähe liegt, sticht auch noch durch seine ökologische und soziale Ausrichtung aus dem Angebot hervor.

Es ist dabei nicht unwesentlich, dass das Areal, das der aus Deutschland stammende Unternehmer Axel Lohwasser 2006 zu bewirtschaften begann, formal außerhalb des Naturschutzgebiets liegt: Es ist das Territorium des Masai-Volks, und so gelten andere Regeln als im fünfzehn Autominuten entfernten „Mara Triangle“. Kühe und Ziegen sind die Lebensgrundlage der Masai, sie gilt es, weiden zu lassen und gegen Raubtiere zu verteidigen – ein Lebensstil, der mit der Unterschutzstellung weiter Landstriche in Konflikt steht. „Die Masai sagen, wir waren da schon vor 500 Jahren, warum soll da jetzt ein Nationalpark sein“, sagt Lohwasser im KURIER-Gespräch. „Das ist potenziell ein Konkurrenzkampf.“

Gemeinschaftsgeist

Der Unternehmer setzt daher darauf, die Masai-Bevölkerung einzubinden. Zwar sei er Eigentümer des Camps und habe die Anlage – mit ihrem großen überdachten Restaurantbereich, einem Wellness-Areal und Pferdestallungen – mit eigenen Mitteln gebaut, sagt Lohwasser. Das rund 120 Hektar große Areal gehöre aber weiter der lokalen Masai-Gemeinde, die dafür viermal jährlich Pachtbeträge erhält und auch am Umsatz der Lodge beteiligt sei.

Auch die meisten Angestellten des Camps stammen aus der direkten Umgebung. Einer von ihnen ist Mbirika, ein stets mit traditionellem rot kariertem Umhang gewandeter Masai, der uns während unseres Besuchs zu unseren Zelten geleitet, den Kindern Bogenschießen beibringt und uns auf einen „Bush Walk“, einen geführten Rundgang über das Gelände rund ums Camp, mitnimmt. Sein Vater, erzählt Mbirika, habe ihn zum Medizinmann ausgebildet, und so weist er während der Wanderung auf zahlreiche Kräuter hin – manche sollen gegen Malaria helfen, andere bei Bauchweh, die wild wachsenden Olivenzweige dienen zum Polieren der Zähne.

Doch auch ein umzäunter Gemüsegarten ist Teil des Camps. Hier wachsen Paradeiser, Zwiebel, Granatäpfel, Salat und andere Nutzpflanzen. Im Lodge-Restaurant – morgens und zum Lunch ein Buffet, abends ein dreigängiges Menü – landet vieles davon auf dem Teller der Gäste. Häufig gibt es Fisch, der in einem Teich am Hang unterhalb der Lodge gezüchtet wird. Der Betrieb produziert auch selbst Honig; Fleisch, Getreide und Milchprodukte werden überwiegend in der Region gekauft. Bei der Stromversorgung setzt das Camp auf Sonnen- und Windenergie, Wegwerf-Behältnisse findet man in den Unterkünften nicht. Die Organisation „Ecotourism Kenya“, die im Zwei-Jahres-Rhythmus touristische Nachhaltigkeit prüft, hat dem Camp als einem von 48 Betrieben in Kenia „Gold“-Status attestiert.

Ältere Masai

Völlig unabhängig von Lieferfahrten und Stromaggregaten sei man zwar nicht, erklärt Eigentümer Lohwasser – doch es gehe beim Eigenanbau nicht alleine um die Selbstversorgung. „Wir wollen auch Denkanstöße geben und der Gemeinde zeigen, was sie selbst machen kann“, sagt er. Insbesondere ältere Masai seien für nützliche Beispiele empfänglich: „Ich habe auch ein paar Kühe, die produzieren zehnmal so viel Milch wie jene der Masai“, sagt Lohwasser. „Ich hoffe, dass die Leute nachdenken, wenn sie das sehen. Denn sie brauchen damit weniger Land.“

Um der jüngeren Bevölkerung Perspektiven zu eröffnen, finanziert Lohwasser mit den Erträgen des Camps zudem eine lokale Schule mit. Vier Lehrer beziehen ein Gehalt von 250 Euro pro Monat, einige Kinder erhalten ein Fördergeld, das ihnen bis zum Hochschulabschluss fortgezahlt werden soll – zu den derzeit acht Stipendiaten, die jährlich sechshundert Euro erhalten, sollen jedes Jahr zwei hinzukommen.

Ob die jungen Masai später einmal in der Region bleiben, wird die Zeit zeigen. Doch sie werden vor Ort gebraucht – etwa als Ranger, die der Wilderei im tierreichsten Reservat Kenias Einhalt gebieten. Organisationen wie der WWF kooperieren dabei mit lokalen Initiativen bei der Ausbildung von Wildhütern. Der Tiroler Peter Achammer, Besitzer der eingangs erwähnten Stiere, fliegt mit seinem Helikopter-Charterunternehmen nicht nur Touristen zum „Kilima Camp“, sondern hilft auch beim Markieren von Elefanten.

Medienberichten zufolge hat sich die Bedrohung durch Wilderei, die vor rund zehn Jahren bedrohliche Ausmaße angenommen hatte, zuletzt gebessert – auch deshalb, weil Bewohner der Region sich selbst eher als Wächter der Wildnis begreifen, wenn sie souverän über Landflächen verfügen und wirtschaftliche Möglichkeiten abseits illegaler Jagd vorfinden. Für Mbirika, unseren Masai-Führer, ist die Sache klar: „Ich bin hier geboren und bin hier aufgewachsen, das ist mein Land“, sagt er und blickt vom „Kilima“ – das Wort bedeutet „Berg“ – in die Savanne hinab.

Wo die Masai ihre Ziegen vor Löwen schützen müssen: Kenia

Anreise
Über Nairobi oder Mombasa; Tickets (Hin- und Rückflug) ab ca. 650 €, z. B.  bei Turkish Airlines (via Istanbul) oder KLM/Kenya Airways (via Amsterdam).
CO2-Kompensation via climateaustria.at: 33 €.
Viele Touristen kombinieren eine Safari mit Badeurlaub an der Küste. Der Flugtransfer in die Masai Mara dauert ab Nairobi ca. 1 Stunde, ab Mombasa 2 Stunden. Die Hauptsaison ist von Juli  bis Oktober – die Zeit der großen Tierwanderungen

Unterkünfte
In teilgemauerten Komfort-Zelten mit eigener Dusche  und Veranda. Die Standard-Version fasst drei Personen, die Luxus-Variante bis zu fünf Bewohner

Angebot
 Das Büro „Flieg und Spar“ in Bad Vöslau ist Partner des „Kilima Camp“ in Österreich. Es bietet eine Safari mit zwei Nächten im Camp inkl. Pirschfahrten, Parkeintritten und Transfer von/nach Mombasa um 1.079 € (Nebensaison) bzw. 1.279 € (Hauptsaison) an; Zusatztage kosten 420–480 €.
Info: safaris-safaris.at

Nachhaltiger Tourismus

ecotourismkenya.org informiert im Detail über Tourismusbetriebe in ganz  Kenia, die sich nachhaltigen Standards verpflichtet haben. Das EU-Projekt „Green Tour Kenya“ fördert u. a. die Teilhabe der heimischen Bevölkerung  („Community Based Tourism“)

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