Tage des Donners: Die Gräben zwischen CDU und CSU werden tiefer
„Wir sehen uns wieder“, raunte Markus Söder am Montag den Journalisten zu. Da hatte er gerade deutlich gemacht, dass er seine Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur nicht einfach aufgeben wird. Flötete er tags zuvor noch von Zusammenhalt, bezeichnete er das CDU-Präsidium, das Laschet breiten Rückhalt ausgesprochen hatte, als „Hinterzimmer“. Nun ist die Woche fast zu Ende, doch ein Wiedersehen mit Söder oder Laschet als Kanzlerkandidat blieb aus – die Gespräche laufen noch, heißt es.
Aus den Parteien der Kontrahenten drangen dagegen zahlreiche Wortmeldungen: Von CSU-Spitzenpolitikern, die empört sind, weil die CDU das Erstzugriffsrecht für sich beansprucht, bis zu CDU-Granden, die genervt sind von Söders Gehabe.
Für Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble ist die Kritik an den CDU-Gremien „nicht zu ertragen“, Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier erklärte: Das Parteipräsidium sei „nicht umnachtet“ gewesen, als es sich für Laschet aussprach.
Nun sind aber die neuesten Umfragen eingetrudelt – auf die CSU-Chef Söder in der Debatte vehement pocht und die Laschets scheinbar mangelnde Überzeugungskraft in Zahlen bringen: 44 Prozent der Bundesbürger und 72 Prozent der Unionsanhänger halten ihn, den bayerischen Ministerpräsidenten und Chef der kleinen Schwesterpartei, für den geeigneteren Kandidaten, um in den Wahlkampf zu ziehen. Bei Laschet sind es 15 und 17 Prozent.
Damit argumentierte Söder am Dienstag in der Fraktion von CDU/CSU im Bundestag, wo er wie ein Spielmacher auftrat und die „maximal beste Aufstellung, nicht die angenehmste“ forderte. In einer emotionalen Debatte sprachen sich viele CDUler für Söder aus. Nicht, weil er ihnen das beste Programm vorstellte, er hat sie bei der Angst gepackt, sagt Andrea Römmele, Politologin von der Hertie School of Governance. Seine Taktik sei „durchaus populistisch und ein gefährliches Spiel“. In den Statuten der Partei gebe es keine Kriterien, wie ein Kandidat gewählt werden soll.
26.September: An diesem Tag wird der Bundestag neu gewählt. Gleichzeitig finden in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen Landtagswahlen statt.
60,4 Millionen Deutsche sind wahlberechtigt, davon 31,2 Mio. Frauen und 29,2 Mio. Männer.
32 Prozent erreichte die Union (CDU/CSU) bei der Wahl 2017. Derzeit liegt sie in Umfragen bei 28 Prozent.
„Wir dürfen nicht vergessen, dass Söder vor etwa zwei Jahren der unbeliebteste Politiker war. Nun ist er in der Pandemie der beliebteste geworden“, sagt Römmele. Mit seinen markigen Worten erreiche er in der Krise mehr Menschen, aber in Nach-Covid-Zeiten ist das Konsensuale gefragt – und da sei Laschet im Vorteil.
In dessen Gefolgschaft hat sich die Söder’sche Argumentationslinie aber verbreitet. So plädierte CDU-Landesfürst Reiner Haseloff, der sich im Juni in Sachsen-Anhalt bei Landtagswahlen behaupten muss und auf den Söder-Effekt hofft, nach Popularität zu entscheiden: „Leider geht es jetzt nur um die harte Machtfrage: Mit wem haben wir die besten Chancen?“. Ähnlich erklärte sich Tobias Hans, Ministerpräsident aus dem Saarland. Beide Männer gehören dem Präsidium an, das Laschet am Montag Rückhalt gab.
CDU ist gespalten
Problematisch ist, dass es kein Verfahren gibt, das diese Entscheidung regelt. Fast zweieinhalb Jahre sind vergangen, seit Angela Merkel den Parteivorsitz aufgab und ankündigte, nicht mehr bei den Wahlen 2021 kandidieren zu wollen. In dieser Zeit hat die CDU eine Vorsitzende verschließen, die sich beim internen Casting knapp gegen Friedrich Merz, durchsetzen konnte. Ihrem Nachfolger Armin Laschet erging es ähnlich. Gleich zwei Mal wurde deutlich: Die CDU ist gespalten und hat kein Führungspersonal, dem sie die Merkel-Nachfolge zutraut.
Merkel wiederum hat in den vergangenen Jahren auch nicht besonders viel getan, um jemanden neben sich heranwachsen zu lassen. All das rächt sich jetzt.
Der Machtkampf zwischen Söder und Laschet hat sich mittlerweile in die Fraktion verlegt, wo die alte Bruchlinie zwischen Abgeordneten und CDU-Spitze sichtbar wurde: Die Mandatare verlangen mehr Mitsprache, sie sind jene, die draußen für sich und den Kanzlerkandidaten wahlkämpfen müssen.
Derzeit sammeln einige Abgeordnete Unterschriften, damit wollen sie eine Abstimmung über den Kanzlerkandidaten notfalls in der Fraktion regeln – sollten sich die Kontrahenten nicht am Wochenende einigen.
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