„Und morgen geht’s dann los“: Nach knapp drei Minuten war für den Mann, der Deutschlands nächster Kanzler werden will, alles gesagt. Selbst am Tag seines größten Triumphes – FDP und Grüne haben sich für Sondierungen mit Olaf Scholz’ SPD entschieden – hält er sich zurück. Wie schon am Wahlabend, wo er auf der Bühne stand, vorsichtig lächelte und mechanisch in Richtung Kameras winkte. Mehr Emotion geht nicht und sollte nicht sein. Das ist seinem hanseatischen Naturell geschuldet, aber auch einer Strategie: Der 63-Jährige überlässt nichts dem Zufall, plant jeden Schritt, auch wenn das auf den ersten Blick nicht so wirken mag.
Olaf Scholz war nie jemand, der offensichtlich am Zaun des Kanzleramtes rüttelte, wie einst Gerhard Schröder, wissen frühere Genossen aus Hamburg zu berichten. Sie beschreiben ihn als „analytisch und kontrolliert“ – und darauf achtend, „was kann man durchsetzen, wo muss man eine Runde drehen“.
Wenn Scholz jetzt mit dem Verhandlungsteam der Sozialdemokraten und den zwei kleinen Parteien eine Regierung auslotet, wird es daher keine Basta-Politik à la Schröder geben. Der SPD-Kanzler (1998-2005) machte im Vorfeld der Gespräche zwischen Roten und Grünen die Ansage, es müsse klar sein, wer Koch und wer Kellner ist. Die Grünen durften damals servieren.
Andere gewähren lassen
Diesmal sind die Rollen anders, da FDP und Grüne zusammen mehr Stärke haben und sich alle Möglichkeiten offen halten – Scholz und die SPD gönnten ihnen das nach der Wahl, zogen sich zurück und ließen alle erstmal machen: FDP und Grüne sich samt gemeinsamem Selfie und Vorab-Treffen als Königsmacher inszenieren, die Union ein Schauspiel vorführen, das vor vier Jahren noch die SPD bot: Die öffentliche Demontage ihres Kanzlerkandidaten Martin Schulz, der am Ende einfacher Abgeordneter wurde. Armin Laschet steht dies bald bevor.
So heftig es bei CDU/CSU derzeit bebt, so wenig hört man aus der SPD-Zentrale. Die neue Geschlossenheit gehört zur Operation Kanzleramt. Streit vergrault die Wähler, diese Lektion hat man aus den vergangenen Jahren gelernt. Einfach war es nicht, lassen einen SPD-Politiker wissen. Nach der Wahl des Vorsitzenden-Duos 2019, das dem linken Flügel zugeordnet wird, wirkte es so, als ob Scholz’ Tage gezählt seien. Doch die drei haben sich arrangiert, das Duo hat sich hinter ihm eingereiht und hält ihm den Rücken beim linken Teil der Partei frei. So denkt er nicht daran, den Chefsessel für sich zu beanspruchen – er glaube „nicht an Gesetzmäßigkeiten, nach denen der Kanzler zugleich Parteivorsitzender sein müsse“, sagte er jüngst. So viel zur neuen Arbeitsteilung. Ob diese langfristig einträchtig verläuft, wird sich zeigen. Für die Sondierungsgespräche hat der Parteinachwuchs – die Jusos – Mitsprache angemeldet. Ein Viertel der SPD-Bundestagsmandatare gehören zu den Jungen Sozialisten.
Ruf als „harter Verhandler“
Darauf wird Scholz wohl eingehen müssen. Ob er sich mit Blick auf das Kanzleramt aber wirklich als „harter Verhandler“ darstellt, wie man ihn aus seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister kennt, wird sich zeigen. Katharina Fegebank , Grünen-Politikerin und Zweite Bürgermeisterin der Hansestadt, warnte ihre Partei davor. „Man muss extrem ausgeschlafen sein, idealerweise auch bis ins letzte Detail gut vorbereitet.“ Scholz habe den Anspruch, der Platzhirsch zu sein, so Fegebank, die ihrer Partei riet, Jamaika nicht auszuschließen.
Genau das tun Grüne wie FDP. Stratege Scholz wird den Kleinen also Projekte und Raum geben müssen. Die FDP, noch traumatisiert von den Regierungsjahren unter Merkel und den geplatzten Jamaika-Verhandlungen, wird viel Zuwendung brauchen. Olaf Scholz, bis dato noch Finanzminister, könnte dieses Amt an FDP-Chef Christian Lindner abgeben – mit ihm habe er schon oft „vertrauliche Gespräche“ geführt, erklärte er kürzlich in einem Interview. Und äußerte für Lindners Abbruch der Jamaika-Gespräche Verständnis: Es war „keine große Regierungskunst, dass Union und Grüne untereinander eine Einigung erzielen wollten und die FDP nicht mehr richtig einbezogen hatten“, so Scholz. Der, auch wenn man es ihm nicht zutrauen mag, weiß, dass man manchmal emotionale Knöpfe drücken muss.
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