"Wir sollten nicht länger mit dem Geld der Steuerzahler Arbeitslosigkeit finanzieren, sondern müssen dafür sorgen, dass die Menschen in Arbeit kommen." Mit diesen Worten heizte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai gegenüber der Bild die Debatte um das Bürgergeld für ukrainische Flüchtlinge neu an. Djir-Sarai fordert, dass neu ankommende Geflüchtete aus der Ukraine künftig unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen – so wie Asylwerber aus anderen Ländern der Welt. Das Bürgergeld, so der Liberale, halte Geflüchteten davon ab, auf Arbeitssuche zu gehen.
Ähnlich hat sich zuletzt die Union dazu geäußert, bei der bis Freitag stattfindenden Innenministerkonferenz steht das Thema ebenfalls auf der Agenda. Die beiden anderen Regierungsparteien, SPD und Grüne, haben der Forderung bereits eine Absage erteilt: Die Behauptung, das Bürgergeld verhindere die Arbeitsaufnahme von Ukrainern, sei falsch. Erst durch das Bürgergeld und die Zuständigkeit der Jobcenter könnten schnellere Maßnahmen für ihre Integration in den Arbeitsmarkt ergriffen werden. Asylwerber dürfen in Deutschland (ähnlich wie in Österreich) keiner Erwerbsarbeit nachgehen.
Geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer haben in der EU einen eigenen Schutzstatus, dieser ist aktuell bis März 2026 aufrecht. Das bedeutet: Recht auf Aufenthalt, Unterkunft, Sozialleistungen, medizinische Versorgung und Zugang zum Arbeitsmarkt. Die Geflüchteten müssen daher weder in Deutschland noch in Österreich ein Asylverfahren durchlaufen. In Deutschland erhalten sie das Bürgergeld und können sofort arbeiten, wenn ihnen dies möglich ist.
Das Bürgergeld beträgt 563 Euro pro Person für Alleinstehende, 506 Euro für Partner. Volljährige Kinder, die bei ihren Eltern wohnen, bekommen monatlich 451 Euro, auch für kleinere Kinder gibt es Geld. Zusätzlich bezahlt der Staat die Kosten für Unterkunft, Heizung und Warmwasser, "soweit diese angemessen sind". Flüchtlinge aus anderen Ländern erhalten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz höchstens 460 Euro.
In Österreich erhalten ukrainische Geflüchtete Unterbringung in "geeigneten Unterkünften" sowie Verpflegung und Krankenversorgung vom Staat. Zusätzlich gibt es ein monatliches Taschengeld von 40 Euro pro Person. Wer privat untergebracht ist, bekommt Verpflegungsgeld: Erwachsene bis zu 260 Euro pro Monat, Kinder bis zu 145 Euro, außerdem einen Mietzuschuss zwischen 165 Euro und 330 Euro pro Monat.
Kein Bürgergeld für wehrpflichtige Ukrainer
Fakt ist jedoch, dass aktuell kaum mehr Geflüchtete aus der Ukraine nach Deutschland kommen.
Später konkretisierte die FDP ihre Forderung: Der Ausschluss vom Bürgergeld sollte nur ukrainische Männer im wehrpflichtigen Alter betreffen. Seit dem russischen Angriff gilt in der Ukraine das Kriegsrecht – Wehrpflichtige dürfen bis auf wenige Ausnahmen eigentlich nicht ausreisen. Trotzdem haben Hunderttausende Männer zwischen 18 und 60 Jahren das Land verlassen.
Aktuell sollen sich rund 260.000 in Deutschland befinden – bei mehr als 1,17 Millionen geflüchteten Ukrainern insgesamt. Der bei weitem größte Anteil der Kriegsflüchtlinge sind also Frauen und Kinder; 730.000 davon sind im erwerbsfähigen Alter. Nach Angaben des Arbeitsministeriums arbeiten inzwischen 185.000 Menschen in einem regulären Job. Weitere 47.000 sind geringfügig beschäftigt, etwa in einem Minijob.
Warum so wenige Ukrainerinnen am Arbeitsmarkt Fuß fassen, ist laut Studien in Deutschland ähnlich wie in Österreich: Viele Arbeitgeber bestehen auf gute Deutschkenntnisse – selbst bei einfachen Tätigkeiten. Judith Kohlenberger, Migrationsforscherin an der WU Wien, nannte es in einem Interview mit dem KURIER "Deutschfetisch". Auch seien viele geflüchtete Ukrainerinnen sehr gut ausgebildet – für sie habe das AMS selten passende Stellen. Fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten (viele Ukrainerinnen kamen als Alleinerziehende)und eine zu niedrige Zuverdienstgrenze erschwerten die Arbeitssuche ebenso. In Deutschland liegt der Grundfreibetrag für zusätzliches Einkommen bei 100 Euro brutto monatlich, Österreich bei maximal 110 Euro pro Monat.
Übrigens herrscht eine große Diskrepanz bei der erfolgreichen Integration von ukrainischen Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt zwischen West- und Osteuropa: Während sie in Deutschland bei rund 25 Prozent liegt, gehen in mittel- und osteuropäischen Ländern rund 66 Prozent der Geflüchteten einer Erwerbsarbeit nach.
Kommentare