Vier Tage und Nächte lang wurde verhandelt, bis die zwei gigantischen Geldpakete in Brüssel geschnürt waren: „Deal!“, jubelte EU-Ratspräsident Charles Michel in einem Tweet um 5.30 Uhr Dienstagfrüh. Da hatten sich die 27 EU-Staats- und Regierungschefs endlich auf das Budget der EU bis 2027 sowie auf einen 750 Milliarden Euro schweren Wiederaufbaufonds geeinigt. Zusammen umfassen die beiden Pakete rund 1.800 Milliarden Euro.
Für Wifo-Budget-Expertin Margit Schratzenstaller ist es immer noch bemerkenswert, dass man sich angesichts der größten Finanzpakete in der Geschichte der EU „doch relativ schnell auf so große Summen geeinigt hat. Wer hätte das vor ein paar Monaten noch gedacht?“
Denn für den Wiederaufbaufonds, der den besonders schwer von der Corona-Krise betroffenen Staaten helfen soll, brechen die EU-Mitgliedsländer ein Tabu: Erstmals nehmen sie gemeinsam auf dem Kapitalmarkt die enorme Summe von 750 Milliarden Euro auf.
360 Milliarden davon werden an die Länder als Kredite vergeben – müssen also zurückgezahlt werden. Doch 390 Milliarden davon fließen als Zuschüsse, sie müssen von den Empfängerländern nicht rückerstattet werden.
Wer zahlt dafür? Und was daran ist Österreichs Anteil?
Ab 2028 müssen die 390 Milliarden abbezahlt werden, und das genau 30 Jahre lang. „Österreich leistet dabei höhere Jahresbeiträge ans EU-Budget
– oder aber die EU hebt neue Eigenmittel ein“, sagt Schratzenstaller. Einfach gesagt: Je mehr eigene Quellen die EU erschließt, also etwa die für nächstes Jahr geplante Plastiksteuer, umso geringer die Summe, die Österreich abliefern muss. Noch lässt sich diese Summe nicht beziffern.
Ein – von Kanzler Sebastian Kurz lange befürchteter – „Einstieg in eine Schuldenunion“ werde dies nicht sein, versichert die Wifo-Expertin. Denn: „Österreich haftet nicht für die gesamte neue Verschuldung, sondern nur mit 2,7 Prozent. Das entspricht Österreichs Anteil am europäischen Budget.“
Klar ist bereits: Die größten Zuschüsse werden nach Italien fließen (rund 80 Milliarden), nach Spanien (etwa 70) und Frankreich (rund 40 Mrd.). Österreich dürfte rund 3,7 Milliarden Euro an Zuschüssen erhalten.
Mit vergleichsweise wenig Mühen haben sich die EU-Regierungschefs beim Gipfel auf das nächste EU-Budget geeinigt. Es wird für insgesamt sieben Jahre ein Volumen von 1.074 Milliarden umfassen – und hat einen Schönheitsfehler: Nach dem Austritt Großbritanniens fehlt in der EU ein gewichtiger Nettozahler – und dieses Loch müssen nun die anderen EU-Staaten ausgleichen. Auf Österreich kommen daher auf jeden Fall höhere Beiträge zu – laut Angaben des Finanzministeriums 3,8 Milliarden Euro fürs kommende Jahr.
Mindestens 1,5 Milliarden aber werden in Form von Rückflüssen an Österreich zurückkommen – und dazu kommt nun auch noch ein spezieller Rabatt. Den hat Kanzler Kurz bei den Gipfelgesprächen herausverhandelt. Der Rabatt wird jährlich 565 Millionen Euro brutto betragen (netto 350 Mio.). Insgesamt aber dürften Österreichs Beiträge an den Haushalt in Brüssel auch netto steigen. Zuletzt betrug Österreichs Nettobeitrag 1,4 Milliarden Euro (brutto 3,1 Milliarden Euro).
Zwei Drittel der Ausgaben des EU-Budgets werden auch künftig auf den Landwirtschaftssektor und die Kohäsion (regionale Entwicklung) entfallen – was heftig kritisiert wird. „Anstatt bei diesen Bereichen zu kürzen, wird jetzt bei den wichtigen Zukunftsbereichen wie Forschung oder Klimabereich hineingeschnitten“, bedauert Schratzenstaller.
Österreichs Landwirtschaft kann dennoch mit höheren Zuwendungen rechnen: 35 Millionen Euro mehr – über sieben Jahre hinweg.
Auf der Strecke blieb beim EU-Gipfel das Versprechen, die künftige Ausschüttung von EU-Milliarden an die Rechtsstaatlichkeit zu verknüpfen. Ungarns Premier Viktor Orbán ging somit als wahrer Sieger des Gipfeltreffens vom Platz: Ein klarer Mechanismus, wie Rechtssünder künftig finanziell sanktioniert werden können, wurde nicht beschlossen.
Das ärgert vor allem das Europäische Parlament. Die Abgeordneten pochten stets heftig auf die Regel: EU-Geld nur an Staaten, die sich auch an die grundrechtlichen Prinzipien halten. Einige Abgeordnete drohen bereits mit einem Veto. Damit die Ergebnisse des Gipfels gesetzeswirksam werden und die Hilfsmilliarden fließen, müssen nun auch das EU-Parlament und alle 27 nationalen Parlamente zustimmen.
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