Lai war einst als Teenager auf einem Frachtschiff vom chinesischen Guangzhou nach Hongkong geflohen und hatte in einer Handschuhfabrik zu arbeiten begonnen. Mit 28 wurde er als Textilienmogul Millionär. Das Buch „Der Weg zur Knechtschaft“ des österreichischen Ökonomen Friedrich August von Hayek habe ihn schließlich motiviert, seinen Reichtum für den Erhalt der Demokratie und freien Marktwirtschaft in Hongkong einzusetzen.
1995, kurz vor der Rückgabe der Stadt an China, gründete er die prodemokratische Tageszeitung Apple Daily, die schnell zu einem der wichtigsten Medien des Landes aufstieg.
Das Ende der Demokratie in Hongkong
2019 begann sich der Wind schließlich zu drehen. Ein angekündigtes Gesetz, das es Gerichten möglich machen sollte, Häftlinge nach China auszuliefern, löste heftige Proteste aus, an denen mehr als zwei Millionen Menschen teilnahmen und sich gewaltsame Straßenkämpfe mit der Polizei lieferten.
➤ Der KURIER war 2019 selbst bei den Ausschreitungen rund um die Demokratie-Proteste in Hongkong vor Ort
Die Gewalteskalation nahm man in Peking zum Anlass, ein knallhartes nationales Sicherheitsgesetz nach chinesischem Recht über Hongkong zu verhängen, um die Demokratiebewegung zu zerschlagen. Deren wichtigste Köpfe, die Studenten Agnes Chow, Joshua Wong (beide 27) und Nathan Law (30) landeten alle zwischenzeitlich im Gefängnis, Letzterer floh sogar nach London, wo er bis heute lebt.
Am Schwersten traf es allerdings Lai. Wegen Betruges und der Teilnahme an unautorisierten Versammlungen wurde er bereits zweimal verurteilt, sitzt seit 2020 in Haft. 2021 ließ ein von China eingesetzter Richter sein gesamtes Vermögen einfrieren, die Apple Daily musste daraufhin den Betrieb einstellen. Seinem britischen Anwalt wurde kurzerhand die Zulassung entzogen. Am Montag musste sich Lai wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit verantworten. Sollte er am Ende des für 80 Tage anberaumten Prozesses verurteilt werden, droht ihm lebenslange Haft.
Wenig ist von der Demokratiebewegung übrig
Wie wenig von der einst mächtigen Demokratiebewegung übrig ist, wurde am Montag deutlich: Nur rund einhundert Unterstützer waren zu Lais Prozessauftakt gekommen, die meisten blieben vermummt, versteckten sich hinter Regenschirmen vor den Kameras und verhielten sich ruhig.
Nur eine prominente Aktivistin machte Lärm: Alexandra Wong, genannt „Grandma“ (Oma), war mit britischer Flagge auf der gegenüberliegenden Straßenseite aufgetaucht. Eine knappe Minute lang forderte sie lautstark die Freilassung Lais, ehe Polizisten sie verdrängten.
Ein Zwischenfall, der Folgen haben dürfte: Ab August 2019 war „Grandma“ Wong schon einmal für 14 Monate verschwunden – nach ihrer Rückkehr hatte sie erklärt, an ein chinesisches Gefängnis ausgeliefert worden zu sein.
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