Das Bild als Waffe: Wie Staatenlenker Geschichte inszenieren
„Er hat einen tollen Job gemacht“ – der Hund, der laut US-Präsident Donald Trump den nunmehr ehemaligen Anführer der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS), Abu Bakr al-Baghdadi, gejagt hat, ist binnen Stunden zum Volkshelden geworden, das Bild des Hundes ging um die Welt.
Damit ist Trump laut Frank Roselieb, dem Direktor des Krisennavigator-Instituts für Krisenforschung an der Universität Kiel, ein „echter Coup“ im Kampf der Bilder gelungen: „Mit dem Anti-Terror-Hund bedient Trump gleich mehrere Zielgruppen. Er zeigt die militärische Überlegenheit der USA – Tenor: So ein High-Tech-Tier hat bisher keiner erfolgreich eingesetzt“, sagt er zum KURIER.
„Perfektes Storytelling“
Zudem könne Trump den Gegner diskreditieren: „Die Botschaft lautet: ,Ihr seid so armselig, dass Euer oberster Anführer sogar von einem Hund zur Strecke gebracht werden kann’. Zusätzlich hatte Trump noch am Vortag gemeldet: Euer Anführer ist ,wie ein Hund gestorben‘. Perfektes Storytelling. Das kann Hollywood nicht besser.“ Auch unter Trumps Vorgänger Barack Obama brachten die USA einen gefürchteten Terrorpaten zur Strecke: Als Osama Bin-Laden von Eliteeinheiten eliminiert wurde, sahen Obama und seine Regierung im Situation-Room zu. Das Foto ging um die Welt.
Im Gegensatz zu seinem Nachfolger setzte Barack Obama auf Bescheidenheit
US-Präsident Trump präsentierte sich deutlich härter
Besiegte Feinde der USA wurden stets als schwach dargestellt
Trump beschrieb Abu Bakr al-Baghdadi als "winselnden Hund"
Ebenso wie der nordkoreanische Machthaber Kim Jong un
Anders als Trump, der sich sichtlich erfreut über die Tötung Baghdadis zeigte, gab sich Obama bescheiden, ging auf die Opfer des 11. September ein. Nichtsdestotrotz war auch sein Auftritt wohlinszeniert, kein Detail war dem Zufall überlassen. Hätte man George W. Bushs Auftritt auf der USS Abraham Lincoln im Jahr 2003 Glauben geschenkt, wäre es niemals zu einem Aufstieg des IS gekommen. War doch die „Mission erfüllt“, die Terrorgefahr gebannt, wie auf einem großen Banner auf dem Flugzeugträger stand. Bush inszenierte sich in Kampfmontur als Kriegsherr, als Bezwinger des Terrors.
Beschützer und Väter
In dasselbe Horn stoßen auch Staatenlenker wie der russische Präsident Wladimir Putin oder sein türkisches Pendant Recep Tayyip Erdoğan. Beide präsentieren sich ihren Völkern als „Beschützer“, als „Staatsväter“ – und haben damit in ihrer jeweiligen Heimat Erfolg. Als zu Beginn der türkischen Offensive auf Nordsyrien die Panzer durch die türkischen Dörfer rollten, wurden sie von jubelnden Kindern flankiert. Es kommt nicht von ungefähr, dass sich Erdoğan auch in Militäruniform zeigt – in der jüngeren türkischen Geschichte war das Militär ein bedeutender Machtfaktor, ehe der Putsch von 2016 scheiterte. Erdoğan hat das Militär besiegt.
Putin hingegen zeigt sich seit er an der Macht ist, gerne als „ganzer Kerl“. Für den Russland-Experten und Universitätsprofessor Gerhard Mangott ist klar, dass Putin damit der russischen Kultur aus der Seele spricht: „Er will gesund, sportlich wirken. Mit zunehmendem Alter sind zwar die Oben-Ohne-Fotos hoch zu Ross verschwunden, doch nach wie vor inszeniert sich Putin als jemand, der die Schönheiten Russlands zu schätzen weiß“, sagt er im KURIER-Gespräch.
Auch Kim Jong-un präsentierte sich unlängst auf einem Schimmel, den Vulkan Paektu hinaufreitend. „Anders als Putin will er sich als Vertreter einer heiligen Dynastie zeigen und eher den Glauben der Nordkoreaner an sich und seinen himmlischen Auftrag stärken“, erklärt Mangott.
Spuren verwischen
„Kriegspropaganda ist und bleibt Propaganda, also geschickte PR einer Seite. Die Wahrheit kann meist nur danach in Friedenszeiten ermittelt werden. Selbst dann wird sie oft nur bruchstückhaft erkennbar“, sagt Roselieb. Gute Kriegspropaganda verwische alle Spuren, die der Wahrheitsfindung dienlich sein können.
„Im Englischen spricht man daher von ,Thinking Beyond‘ – also schon während des Krieges an die Zeit danach denken.“ Auch der Grundsatz „Die Wahrheit liegt immer in der Mitte“ funktioniert in Kriegszeiten nicht.
Roselieb: „Die Pole sind viel zu weit entfernt. Es gibt in der Kriegs-PR nie Grautöne – immer nur Schwarz und Weiß.“ Die Inszenierung von Siegen – tatsächlichen oder vermeintlichen – ist so alt wie der Krieg selbst.
So gilt bereits Alexander der Große als Schöpfer der ersten Kriegsberichterstatter-Einheit. Auf seinen Feldzügen reisten Schreiber mit, die die makedonische Bevölkerung mit Erfolgsmeldungen ihres Herrschers versorgten. Ebenso verbreiteten sie die Kunde seiner Unbesiegbarkeit im Feindesland – und erschütterten so die Moral seiner Feinde.
Schuld sind die anderen
Unabhängig von Epoche und technischen Hilfsmitteln sind für Roselieb die Spielregeln immer dieselben: „Jeder Feldzug ist moralisch gerechtfertigt. Bilder lügen nie. Schuld sind immer die anderen. Menschliche Opfer sind bedauerlich, aber alternativlos.“
So haben angeblich irakische Soldaten bei der Invasion in Kuwait 1990 Frühgeborene aus ihren Brutkästen gerissen und dadurch getötet. Roselieb: „Der Feldzug der US-Truppen war daher stets ein Feldzug gegen das Böse schlechthin. Später gab eine PR-Agentur den Fake dann zu. Der Krieg war natürlich längst Geschichte.“
Dennoch sei Kriegspropaganda nicht zuletzt in den Zeiten von Trump zu einem „Kinderspiel mit dem Handy“ geworden. Roselieb, der in der deutschen Bundeswehr beim Bataillon für „Psychologische Verteidigung“ diente: „So sind heute nicht einmal mehr Journalisten notwendig. Früher wurden ,Embedded Journalists‘ im Irak-Krieg eingesetzt, um als Kronzeugen an der ,Seite der Guten‘ – also der US-Truppen – zu berichten. Heute drehen die Truppen die Bilder einfach selbst und laden sie bei Youtube hoch.“
„Bilder lügen nicht“
Der Krieg der Bilder sei durch den technischen Fortschritt noch einfacher geworden – „und Bilder lügen natürlich bekanntlich weiterhin nicht“.
Der Gegenseite bleibt gar nichts anderes übrig, als auch in den Krieg um die Wahrheit einzusteigen.
„Schweigen hieße Zustimmung zu den Bildern des Gegners. Also muss auch der IS grausame Bilder produzieren, was eine gefährliche Spirale in Gang setzt“, erklärt Roselieb.
Die Erzähltechniken der westlichen Welt und Organisationen wie des IS haben vollkommen andere Inhalte, auch wenn das Schwarz-Weiß-Denken gleich bleibt.
Grausamkeit Ziel des IS
Roselieb: „Der IS passt das Niveau seiner Propaganda den ,Wünschen‘ seiner Zielgruppe an. Beim IS steht die Grausamkeit im Mittelpunkt. Öffentliche Enthauptungen von Ungläubigen sind dort gesellschaftlich akzeptiert.“ Im Westen sollten sie Angst machen.
In der westlichen Welt hingegen versuche man, den Krieg als klinisch-reinen Feldzug der Guten darzustellen, als einen High-Tech-Krieg mit dem Joystick – ohne Blut. „Der Feind wird stets zielgenau getötet. Kollateralschäden sind stets Teil der Propaganda der Gegenseite, denn menschliche Opfer gibt es natürlich nicht“, sagt Roselieb. „Wenn nun eine Seite versucht, die Unwahrheiten der anderen Seite zu entlarven, hat sie schon verloren. Alle Kritiker, auch aus den eigenen Reihen, kollaborieren stets mit dem Gegner. Sie werden Teil der Achse des Bösen und sind damit sowieso unglaubwürdig. “
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