Ungarischer Staatssekretär: "Wir sagen, was die Bevölkerung denkt"

Ungarischer Staatssekretär: "Wir sagen, was die Bevölkerung denkt"
Csaba Dömötör, Vizeminister im Kabinettbüro von Ungarns Premierminister Viktor Orbán, über EU-Sanktionen, Ungarns Isolierung und die Abhängigkeit von Russland.

"Wir verbrennen die Wettbewerbsfähigkeit Europas. Die USA gewinnen, und China lacht", kritisiert ein ungarisches Regierungsmitglied einmal mehr die EU-Sanktionen gegen Russland. Diesmal war es Csaba Dömötör, parlamentarischer Staatssekretär und Vizeminister im Kabinettbüro vom nationalkonservativen Premierminister Viktor Orbán, den der KURIER im Rahmen eines Hintergrundgesprächs in Wien traf.

Ungarns Position sei nicht der Mainstream, das wisse man. "Aber wir trauen uns, das zu sagen, was die Bevölkerung denkt." Im Gegensatz zu den anderen EU-Ländern, wo eine große Diskrepanz herrsche zwischen dem, was die Bevölkerung will, und dem, was die Regierung macht, gäbe es in Ungarn etwa regelmäßig "nationale Konsultationen" der Bevölkerung, die den Kurs der Regierung bestätigten. Kritiker werfen diesen "Konsultationen" jedoch vor, Suggestivfragen zu stellen, die manipulativ und irreführend seien. Die Ergebnisse dieser Befragungen haben keine juristisch verbindlichen Folgen.

Dömötör betont, Ungarn sei gegen Waffenlieferungen, um nicht in den Krieg hineingezogen zu werden, verurteile aber Russlands Angriffskrieg und betone das Recht der Ukraine, sich selbst zu verteidigen. Ungarn sei für Friedensgespräche. Die Frage, ob es Zeichen dafür aus Russland gäbe, konnte der Staatssekretär aber nicht eindeutig beantworten.

Abgängig von Russland – bei Öl, Gas und Atomkraft

Ungarn ist eines der wenigen EU-Länder, das nach wie vor auf russisches Öl und Gas setzt. Im Vorjahr bezog Ungarn 80 bis 85 Prozent seines Erdgases und über 60 Prozent seines Rohöls aus Russland.

Kurzfristig sei es nicht möglich, davon wegzukommen, so Dömötör. Langfristig wolle man das jedoch schaffen. Dabei war Ungarns Außenminister Péter Szijjártó erst diese Woche in Moskau, um zusätzliche Gaslieferungen über die in einem langfristigen Abkommen vereinbarten Mengen hinaus zu vereinbaren. 

Ungarn forciere Gasverbindungsleitungen mit den Nachbarländern außer Slowenien, habe einen langfristigen Vertrag mit Shell und Vereinbarungen mit Kroatiens LNG Terminal an der Adria. Für erneuerbare Energiequellen wie Wasser-, Wind- und Solarkraft gäbe es aber nur bedingt Ressourcen im Land – "wir haben nicht so hohe Berge und die Anzahl der Sonnenstunden reicht auch nicht aus, um unsere Bedürfnisse zu decken", so Dömötör.

47 Prozent seines Stroms erzeugt Ungarn aus Kernenergie, sie ist der wichtigste Stromproduzent des Landes. Ungarn verfügt über vier Reaktoren im Kernkraftwerk Paks, das weiter ausgebaut werden soll. Seine Brennstäbe bezieht das Kraftwerk aus Russland. Das russische Staatsunternehmen Rosatom soll auch für den Ausbau zuständig sein, während etwa Polen seit Neuestem auf nukleare Technologie aus den USA und Südkorea setzt. Man bleibe bei Rosatom, so Dömötör, ein Wechsel sei nicht geplant und so schnell auch nicht möglich. Die Vereinbarung zwischen Rosatom und Ungarn zum Bau von Paks 2 besteht seit 2014, im Vorjahr begannen die Bauarbeiten.

Auf die Frage, wie Ungarn derzeit zu Washington stehe, nennt Dömötör die USA einen wichtigen Partner Ungarns, doch es gäbe große Differenzen mit der aktuellen Regierung unter dem Demokraten Joe Biden. Mit Donald Trump sei die Zusammenarbeit "fruchtbarer" gewesen. 

Warten auf ein Ende der Rekord-Inflation 

Die Inflation in Ungarn liegt seit Monaten über 25 Prozent (März 2023: 25,2 Prozent), gilt als die höchste in ganz Europa. Haupttreiber seien die Energiepreise, klagt Dömötör. Doch auch die eingeführten Preisobergrenzen auf Sprit und bestimmte Lebensmittel dürften, laut kritischen Ökonomen und sogar der ungarischen Zentralbank, den Preisanstieg angekurbelt haben. Man sei zuversichtlich, so Dömötör, dass sie im Laufe des Jahres sinken werde, bis Jahresende auf unter zehn Prozent.

Zu dem von Ungarn (und der Türkei) verweigerten NATO-Beitritt von Schweden meint Dömötör, Ungarn sei nicht gegen den Beitritt per se, die Regierung befürworte ihn sogar. Doch es gäbe einige einzelne Abgeordnete, die aufgrund bestimmter Aussagen Schwedens über Ungarn im Moment dagegen wären. So soll der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson gesagt haben, man müsse Ungarn wegen seiner Meinung zum Krieg wirtschaftlich brechen. Überprüfen ließ sich das  nicht.

Dömötör hofft auf ein klärendes Treffen zwischen dem schwedischen Premier und Ministerpräsident Orbán in Budapest. Anzeichen dafür gibt es aber noch keine.

Kommentare