Coronavirus: Kalter Krieg um die Zulassung der Impfstoffe
Es sind nicht nur 90, sondern sogar 95 Prozent: Der US-Pharmariese Pfizer und sein deutsches Partnerunternehmen BioNTech teilten am Mittwoch mit, dass ihr gemeinsam entwickelter mRNA-Impfstoff BNT162b2 noch wirksamer sei als angenommen – er verhindere 95 Prozent der milden und schweren Formen von Covid-19, habe die finale Analyse ergeben. Der Impfstoff wirke besonders gut bei Älteren und stehe daher „unmittelbar vor der Zulassung“ bei der Food and Drug Administration in den USA.
Das ist eine Nachricht, die man im Kreml nicht so gern hören wird.
Gegenpol in Moskau
In Russland forscht man bekanntlich nach eigenen Impfstoffen, hat im Sommer das erste Vakzin weltweit zugelassen. Dass es dabei um ein Rennen gegen die USA ging, war schon am Namen ablesbar: „Sputnik V“ nannte man den damals noch ziemlich unerprobten Impfstoff – wie den ersten Sowjet-Satelliten, mit dem man die USA in den 50ern in die Schranken wies.
Heute liegt Russland im Hintertreffen. Zwar hat man just zwei Tage nach der Ankündigung von Pfizer, dass das Präparat zu 90 Prozent wirksam sei, nachgelegt – „Sputnik“ habe eine Effektivität von 92 Prozent, hieß es. Doch überzeugende Belege dafür konnten die russischen Forscher bis dato nicht vorlegen: Die Fallzahlen seien viel zu gering für diese Aussage, monierten Forscher in renommierten Magazinen wie Science und Nature.
Es wirke wie „Putinologie“, also Politik auf Druck Putins – das schade dem Impfstoff, der auf der soliden Vektor-Technologie basiere und möglicherweise tatsächlich gut wirksam sein könne.
Dass sich der Druck aus dem Kreml negativ auswirkt, kann man tatsächlich beobachten. Bis zu 70 Prozent der Russen würden sich wegen Sicherheitsbedenken nicht mit „Sputnik“ impfen lassen wollen, ergaben Umfragen – Tendenz steigend. Und auch jene, die die Impfung bisher bekommen haben – etwa 10.000 Lehrer, Mediziner und Armeeangehörige –, taten das teils unter Protest und aus Angst vor Repressalien.
Ungarn als Abnehmer
Dennoch trommelt der Kreml, dass der Impfstoff weltweit gut ankommt – Indien, Brasilien, Mexiko seien Abnehmer. Neu auf der Liste – und das ist ein großer Sieg für Putin – ist auch Ungarn: Premierminister Viktor Orbán hat nämlich um die ersehnte Spritze in Moskau angefragt, die ersten Tranchen sollen in den nächsten Tagen kommen.
Während sein Land durch die Corona-Krise strauchelt und das fragile Gesundheitssystem vor dem Kollaps steht, versucht sich der Regierungschef als potenter Krisenmanager. Dafür kommt der umstrittene russische Covid-19-Impfstoff gerade recht.
Doch darf Ungarn das überhaupt? Die Regierung hat eine Verordnung zur beschleunigten Zulassung von Impfstoffen gegen Corona erlassen. Damit wären auch Nicht-EU-Firmen abgedeckt, wenn „die Qualität stimmt“, so der Rechtstext.
Nur: Hat der Impfstoff keine Zulassung in der EU, kann Ungarn ihn auch nicht einsetzen. Damit könnte sich Budapest massiven Ärger mit Brüssel einhandeln: Nutzt man „Sputnik“ dennoch, steht das nächste Vertragsverletzungsverfahren an, heißt es in Brüssel.
Allerdings ist ohnehin fraglich, wie viele Ungarn sich tatsächlich mit „Sputnik“ impfen lassen würden. Laut einer Umfrage sind das nämlich nur sieben Prozent.
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