Coronavirus in Ungarn: Notstand endet, Orbáns Macht nimmt zu
118 Dekrete erließ der ungarische Premier Viktor Orbán in den vergangenen acht Wochen, als er de facto ohne Parlament regieren konnte. Das Notstandsgesetz im Zuge der Corona-Krise durch das Parlament durchzubekommen, hatte dem Verfechter der „illiberalen Demokratie“ wenig Probleme bereitet: Seine Regierung hat dort eine Zwei-Drittel-Mehrheit.
Kommende Woche soll der ausgerufene Corona-Notstand enden – und damit auch das Notstandsgesetz.
Warum aber wollte Orbán dieses Gesetz, wenn er sowieso alle notwendigen Mehrheiten in der Tasche hat?
Kampf gegen "Die Linke"
„Ich musste nicht mit dieser linken Opposition streiten“, war eine der Begründungen des ungarischen Premiers. Er habe so, wie es die Situation erfordert habe, im Zweifelsfall innerhalb einer Stunde reagieren können.
Vor allem aber konnte er damit seine Erzählung, dass „Die Linke“ einen „wirksamen Kampf gegen das Coronavirus“ behindert habe, untermauern.
Opposition stürzt ab
In der ungarischen Bevölkerung scheint dies Wirkung gezeigt zu haben: Orbáns Fidesz legte seit Mitte März in Meinungsumfragen um zwei Prozentpunkte zu und hält mittlerweile bei 53 Prozent. Die ungarischen Sozialisten – die größte linke Oppositionspartei – stürzten von neun auf vier Prozent ab.
Mit dem Ende des Notstandsgesetzes fordert Orbán seine Kritiker dazu auf, sich für die „ungerechten Bezichtigungen“ bei Ungarn zu entschuldigen. Damit ist nicht nur die eigene Opposition, sondern auch die Europäische Union gemeint, von der (zahnlose) Kritik gekommen war.
Zwar verlieren die erlassenen Dekrete mit kommender Woche ihre Wirksamkeit, können aber in entsprechenden Gesetzen und mit der Zwei-Drittel-Mehrheit weiterhin aufrechterhalten werden. Dies hat die ungarische Justizministerin Judit Varga bereits angekündigt.
Wie der KURIER berichtete, kann etwa durch eine Änderung im Strafgesetzbuch gegen Journalisten und Privatpersonen ermittelt werden, wenn sie falsche oder verunsichernde Meldungen über den Kampf gegen das Coronavirus verbreiten und diesen dadurch behindern (Fake-News-Paragraf).
Harte Maßnahmen
Äußerungen etwa im Internet, die ein Missfallen bezüglich der Maßnahmen der Regierung zum Ausdruck bringen, können als „Verbreitung von Falschnachrichten“ mit Strafen geahndet werden.
Als ein 64 Jahre alter Ungar Orbán Ende April einen „eiskalten Tyrannen“ und „Diktator“ nannte, stand Tage später die Polizei mit einem Durchsuchungsbefehl vor seiner Türe, nahm ihn mit und verhörte ihn.
Insgesamt soll es laut der „Gesellschaft für Freiheitsrechte“ (TASZ) zu zwei eingeleiteten Verfahren gekommen sein, eines soll noch laufen. Eine Frau hatte auf Facebook geschrieben, dass mit den Corona-Tests nicht alles in Ordnung sei. Armin Arbeiter
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