Schweden: "Wohin führt uns diese Strategie?"

Schweden: "Wohin führt uns diese Strategie?"
Schweden hat im Umgang mit dem Coronavirus bisher eher moderate Restriktionen erlassen. In Malmö herrscht derzeit Alltag statt Ausnahmezustand.

In unserer neuen Serie "E-Mail aus..." berichten Österreicherinnen und Österreicher aus aller Welt davon, wie sie die Corona-Krise wahrnehmen.

Wenn ich in diesen Tagen mit meiner Familie und meinen Freunden aus Österreich telefoniere, kommt mir ihre Situation fast surreal vor. Denn in Schweden haben höhere Schulen und Universitäten zwar Online-Unterricht, doch Grundschulen (von der ersten bis zur neunten Klasse) sind weiterhin offen. Das heißt für mich als Lehrerin, dass ich jeden Tag wie gewohnt zur Arbeit gehe. Wobei derzeit deutlich weniger Lehrer und Schüler kommen, an manchen Tagen fehlt mehr als ein Drittel der Kinder. Das hat sicherlich mit der Sorge der Eltern zu tun, aber auch mit dem Rat der Regierung, bei Anzeichen von Krankheit oder Erkältung zu Hause zu bleiben.

Neben Schulen haben auch Restaurants, Bars und Geschäfte geöffnet. Es gibt gewisse Regelungen, die die Verbreitung des Virus verhindern bzw. verlangsamen sollen. In Restaurants darf man sich derzeit das Essen nicht selbst an der Theke holen, sondern das Essen muss an den Tisch gebracht werden. Kinos und Theater wurden geschlossen, Versammlungen von mehr als 50 Menschen sind untersagt. Als ich kürzlich durch die Innenstadt von Malmö ging, war ich dennoch erstaunt zu sehen, wie viele Leute sich bei schönem Frühlingswetter durch die Straßen drängeln, shoppen oder einen Kaffee in der Sonne genießen.

Kaum Verbote

Die schwedische Regierung spricht kaum Verbote aus. Die Bevölkerung wird informiert und soll dann selbst entscheiden. Ich bin zwiegespalten. Manchmal wäre ich gerne daheim, um bei meiner Familie zu sein, dann bin ich wieder froh hier zu sein. Es ist besonders die Ungewissheit, die oft Sorge aufkommen lasst. Wann kehrt der normale Zustand wieder zur Gänze zurück? Wann kann ich meine Familie wiedersehen?

An manchen Tagen schaffe ich es, den Entscheidungen der Regierung Vertrauen zu schenken, und sehe die positiven Seiten: Der Alltag wird möglichst aufrechterhalten, das trägt zu weniger Angst in der Bevölkerng bei, der wirtschaftliche Schaden bleibt vermutlich auch geringer. An anderen Tagen zweifle ich aber und frage mich, wie es sein kann, dass hier niemand strengere Maßnahmen setzt  – während in vielen anderen Ländern Ausnahmezustand herrscht? Wohin führt uns die liberale Strategie der Schweden?  

Es bleibt nur zu hoffen, dass die Bevölkerung richtig agiert, der Ernst der Lage nicht unterschätzt wird, die Situation sich nicht extrem verschlechtert und das Gesundheitssystem die Folgen tragen kann. Welche Entscheidungen die richtigen waren, wird man wohl erst im Nachhinein beurteilen können.

Katja Jatzko ist Deutschlehrerin an einer Schule in Malmö.

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