Es geht um Geld, sehr viel Geld: Weitere 500 Milliarden Euro sollen zur wirtschaftlichen Linderung der Folgen in der Corona-Krise verteilt werden, wenn es nach dem Vorschlag von Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron geht. Das für europäische Verhältnisse dabei Unerhörte: „Es sind keine Kredite“, stellte Merkel klar, sondern nicht rückzahlbare Zuschüsse.
Dieser Plan bricht ein Tabu – und sorgt für Widerspruch, ganz besonders aus Wien: Erstmals würde die EU-Kommission auf dem Kapitalmarkt die gewaltige Summe von einer halben Billion Euro aufnehmen. Zurückzahlen müssten es innerhalb der nächsten 20 Jahre die 27 EU-Staaten. Dieser Wiederaufbaufonds, der den von der Corona-Krise besonders hart getroffenen Regionen und Staaten wieder auf die Beine helfen soll, wäre also eine – bisher vehement abgelehnte – Vergemeinschaftung von Schulden. Allerdings, so stellte Merkel klar, eine einmalige und zeitlich befristete.
Für das grüne Licht für den Plan braucht es die Zustimmung aller 27 EU-Staaten. Aus Wien ist damit vorerst nicht zu rechnen: „Wir werden uns weiterhin solidarisch zeigen und Länder, die am stärksten von der Corona-Krise betroffen sind, unterstützen, jedoch muss dies über Kredite erfolgen und nicht über Zuschüsse“, stellte Kanzler Sebastian Kurz sogleich klar.
Am selben Strang ziehen auch die Regierungschefs Schwedens, Dänemarks und der Niederlande. Es sind dieselben „sparsamen Vier“, die sich schon bei den Verhandlungen ums nächste EU-Budget gegen Erhöhungen gestemmt hatten.
Kurz plant Gegenvorschlag
Zusammen mit ihnen will Kanzler Kurz in den kommenden Tagen einen Gegenvorschlag zum Merkel-Macron-Plan präsentieren. „Wir glauben, dass es möglich ist, die europäische Wirtschaft anzukurbeln und dennoch eine Vergemeinschaftung der Schulden zu vermeiden“, sagte Kurz gegenüber den Oberösterreichischen Nachrichten.
Noch muss allles erst verhandelt werden. Ein Kompromissangebot an Wien könnte sein, dass ein gewisser Teil der 500 Milliarden Euro doch als Kredite vergeben wird. So beharrt etwa die ÖVP-EU-Delegationsleiterin im EU-Parlament, Angelika Winzig: „Das Verhältnis zwischen Krediten und Zuschüssen muss geändert werden.“
Der Umfang des Hilfspaketes aber ist ihr zu klein – ebenso wie allen anderen österreichischen Abgeordneten im EU-Parlament (mit Ausnahme jener der FPÖ).
2.000-Milliarden-Forderung
In der Vorwoche hatte das Europäische Parlament mit großer Mehrheit eine Resolution angenommen, in der es einen Wiederaufbaufonds mit vierfachem Volumen gefordert hatte – 2.000 Milliarden Euro. „Bei den jetzt von Merkel und Macron vorgeschlagenen 500 Milliarden Euro kann es sich eher nur um einen Anfang handeln“, sagt die Neos-EU-Abgeordnete Claudia Gamon. „Die Größe des Fonds muss der Größe des Problems entsprechen.“
Und das Problem ist riesig: EU-weit wird heuer wegen der Corona-Krise ein Rückgang der Wirtschaftsleistung um 7,4 Prozent erwartet. Die Prognose für Österreich sieht ein wenig besser aus: minus 5,5 Prozent.
Der deutsch-französische Rettungsplan ist ein Kompromiss – für den Kanzlerin Angela Merkel eine 180-Grad-Wende hingelegt hat: Bisher hatte sie immer dafür gestimmt, nur Kredite zu vergeben. Nun sollen es ausschließlich Zuschüsse sein. Im Gegenzug musste sich Präsident Macron mit „nur“ 500 Milliarden Euro begnügen. Bisher hatte er das bis zu dreifache Volumen gefordert.
Mit ihrem Plan haben Merkel und Macron EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen vorgegriffen. Diese soll nächsten Mittwoch zusammen mit Budgetkommissar Hahn die Pläne fürs nächste EU-Budget aber auch jene für den Wiederaufbaufonds vorlegen.
Die Pläne für den Fonds dürften sich mit jenen des Teams Merkel-Macron weitgehend decken – mit einem Unterschied: Auch Kredite sind beim Wiederaufbaufonds der Kommission vorgesehen. Denn in der Kommission weiß man: Der Appetit der Staaten, höhere Beiträge nach Brüssel zu überweisen, weil Zuschüsse von 500 Milliarden Euro übergeben wurden, ist herzhaft gering.
Über den Daumen geschätzt, könnten es für Österreich mehr als zehn Milliarden Euro sein.
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