Corona in Ägypten: Kaum mehr Tote als in Österreich

Preparations for Handball World Championship amid the spread of the coronavirus disease (COVID-19) in Egypt
Selbst Behörden zweifeln an den Zahlen in dem 100-Millionen-Einwohner-Land. Die Durchführung der Handball-WM steht in der Kritik.

Die Handball-Weltmeisterschaft wird am Mittwoch mit der Partie von Gastgeber Ägypten gegen Chile eröffnet. Das Finale ist für 31. Jänner angesetzt. 32 Nationen von vier Kontinenten nehmen an der Herren-WM teil.

Der WM-Tross von rund 800 Menschen wird sich vor dem Hintergrund der Pandemie aber in Ägypten weitgehend in einer „Blase“ bewegen. Mehrere Spieler haben im Lichte von Covid-19 ihre Teilnahme bereits abgesagt, von Trainern kam heftige Kritik an Krisenmanagement und Hygienekonzept.

Ein „heilloses Durcheinander“ habe geherrscht, als er im Oktober für ein Ländermatch fünf Tage in Ägypten war, sagte der Michael Roth kürzlich in einem Spiegel-Interview. Er hätte als Trainer des Teams aus Bahrain an der WM teilnehmen sollen, trat aber noch vor dem Turnier zurück. Auf öffentlichen Plätzen habe er Menschen ohne Masken, im Hotel Risikogruppen und Hochzeitsgesellschaften nebeneinander gesehen – ungeschützt. Bei der WM könne er „nur hoffen“, dass es besser organisiert ist.

Zahlen zu niedrig

Ägypten ist das bevölkerungsreichste Land der arabischen Welt – mit rund 100 Millionen Einwohnern, die in teils dicht besiedelten urbanen Gebieten wohnen und von denen jeder dritte in Armut lebt.

Eine Pandemie Herr zu werden ist mit diesen demografischen Voraussetzungen schwierig. Doch auch an den Aufzeichnungen darf gezweifelt werden: Demnach sind in Ägypten bisher rund 150.000 Menschen an dem Coronavirus erkrankt, etwas mehr als 8.000 Menschen gestorben. Nur etwas mehr als in Österreich.

Das ägyptische Gesundheitssystem ist von der Pandemie schwer gefordert. Die Zahl der bestätigten Infektionen steigt. Täglich werden rund 1.000 Fälle registriert, doch selbst die Behörden geben zu, dass das wohl nur ein Bruchteil der tatsächlichen Erkrankungen ist.

"Sauerstoff-Krise"

Zuletzt war ein öffentliches Krankenhaus im Fokus der sozialen Medien, in dem vier Covid-Patienten gestorben sein sollen, weil das Personal nicht genügend Sauerstoff zur Verfügung hatte.

In dem Fall wird ermittelt. Doch die Regionalregierung und die Gesundheitsministerin Hala Zayed wiesen umgehend die Kritik von sich. Es gebe keinen Mangel an Beatmungsgeräten in den öffentlichen Spitälern, heißt es.

Mit den Medien darf das Gesundheitspersonal nicht sprechen, internationale Medien beziehen sich in ihren Berichten auf anonyme Ärzte. Das Personal ist vorsichtig, denn in den vergangenen Monaten sind Pfleger und Mediziner verhaftet oder suspendiert worden, weil sie öffentlich die Mängel im Gesundheitssystem diskutiert haben, wie internationale Medien berichten. Festnahmen von Kritikern sind für die Regierung hinter Präsident Sisi nichts Neues.

Misstrauen wächst

Der Mangel an Informationen über die Verbreitung des Virus und über den Zustand des Gesundheitssystems zieht sich bereits seit Beginn der Pandemie durch. Das Misstrauen in der Bevölkerung wächst. Medien – auch staatliche – schreiben mittlerweile von einer „Sauerstoff-Krise“. Der Premierminister Mostafa Madbouly rief zur Verdoppelung der Produktion von Beatmungsmaschinen auf.

Politiker suchen die Schuld bei Einzelpersonen, die medizinische Geräte horten sollen. Der britische Guardian berichtet, dass die höchste muslimische Instanz des Landes, die Al-Azhar Universität, eine Fatwa (muslimische Regel/Rechtsauskunft) gegen das Horten ausgesprochen hat.

Unterdessen hat die ägyptische Regierung die Verwendung des chinesischen Corona-Impfstoffes der Firma Sinopharm beschlossen, sie wurde bereits zugelassen. Die Impfkampagne soll noch im Jänner starten.

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