Handbewegungen können mehr aussagen als Worte. Nach einigem Zögern besuchte Präsident Emmanuel Macron in der Vorwoche den zurzeit populärsten, aber auch umstrittensten Virus-Spezialisten Frankreichs, Professor Didier Raoult, in dessen Institut in Marseille. Nach ihrer Unterredung traten die beiden gemeinsam vor die Presse.
Während der Professor dozierte, machte der Staatschef ununterbrochen die Bewegung des Händewaschens. Seltsamerweise fiel das den französischen Medien gar nicht auf. Dabei weiß man doch seit biblischen Zeiten, was es bedeutet, wenn ein Staatsmann sich die Hände – in Unschuld – wäscht.
Macrons Vorsicht angesichts des Phänomens Raoult ist durchaus angebracht.
Der Mediziner mit den langen, weißblonden Haaren und dem aufgezwirbelten Schnurr- und Vollbart behauptet seit dem 25. Februar, das Coronavirus habe „ausgespielt“. Er, Raoult, habe „die wirksamste, einfachste und billigste Therapie“ gefunden.
Die kombinierte Verabreichung von Chloroquin (einer Substanz, die gegen Malaria mitwirkt) und Azithoromycin (einem Antibiotikum). Raoult beruft sich auf eine hohe Anzahl an Heilungsergebnissen in seinem Institut. Auf seinem eigenen Youtube-Sender sprach Raoult von den „weltweit spektakulärsten Erfolgen“.
Die meisten französischen Gesundheitsspezialisten sind da vorsichtiger: sie beanstanden, dass Raoult bisher keine regelkonformen und vergleichbaren Ergebnisse von Versuchsserien präsentiert hat. Seinem Medikamentencocktail werden gefährliche Nebenwirkungen angelastet.
Raoult ist zweifellos ein immenser Infektionsforscher. Der Spätberufene – er war in seiner Jugend Seemann in der Handelsmarine – ist für mehrere Entdeckungen ausgezeichnet worden, eine von ihm identifizierte Bakterie ist nach ihm benannt. Ein genialer Querdenker, der aber genau deswegen Kollegen oft nur als bornierte Neider wahrnimmt, und der sich grob verrennen kann. Immerhin hatte Raoult noch im Jänner behauptet: „Da sterben drei Chinesen, und die Welt gerät in Aufregung. Das Virus ist nicht so schlimm“.
Trump, Bolsonaro loben
Inzwischen haben sich Kapazunder wie US-Präsident Trump und der Brasilianer Bolsonaro für die Arznei von Raoult ausgesprochen. In Frankreich haben zwar durchaus seriöse Persönlichkeiten für Raoult Partei ergriffen. Daneben aber auch ein Stimmengewirr aus „Gelbwesten“, diversen Extremisten und südfranzösischen Lokalpolitikern, die Raoult als Opfer der „arroganten Pariser Eliten“ und „Pharmakonzerne“ darstellen.
Dabei erhielt Raoult für die Errichtung seines Instituts die höchste in Frankreich jemals für eine medizinische Forschungsstätte vergebene staatliche Subvention. Er wird von einem Pharmakonzern gesponsert. Und er wurde von Macron in seinen Beirat für die Coronakrise berufen.
Statt aber in diesem Gremium für seine Positionen einzustehen, verweigerte Raoult seine Teilnahme. Es ist daher schwierig zu beurteilen, ob Raoult zurecht rebelliert oder ob seine Lust am Provozieren mit ihm durchgeht. Raoult hatte ja auch schon mal die Erderwärmung negiert.
Seine Therapie wird jedenfalls in den laufenden klinischen Versuchsserien getestet. Auch die Verabreichung der von ihm empfohlenen Medikamente – allerdings nur unter ärztlicher Kontrolle – ist genehmigt. Für Raoult ist das zu langsam und zu wenig: er verlangt die sofortige allgemeine Anwendung seiner Rezepte.
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