Chinas Präsident Xi Jinping ist ein mächtiger Mann. So mächtig, dass der Staats- und Parteichef nicht jeden Regierungschef trifft, den es nach Peking verschlägt. Kommen kleinere Fische zu Besuch, schickt er auch gern seine Nummer Zwei, Premierminister Li Qiang, vor. Nur besonders wichtigen Gästen wird erst ein Termin mit Li Qiang, dann ein Treffen mit Xi Jinping ermöglicht.
Der niederländische Premierminister Mark Rutte, der am Mittwoch in Peking weilt, ist aus Sicht der chinesischen Führung so einer. Auf den ersten Blick mag das überraschend erscheinen, schließlich spielen die Niederlande als Handelspartner für China normalerweise eine untergeordnete Rolle.
Auch mit Ruttes voraussichtlicher Bestellung zum NATO-Generalsekretär nach dem Ende seiner Amtszeit hat der große Empfang nichts zu tun. Im Gegenteil: Gerade, weil die NATO im südchinesischen Meer eng mit Vietnam oder den Philippinen zusammenarbeitet, sollte Rutte in der Gunst der Pekinger Führung gefallen sein.
Es geht wieder einmal um die Chipindustrie - und Taiwan
Rutte wird in Peking dermaßen hofiert, weil China beim Kampf um die technologische Vormachtstellung in der Welt auf ein niederländisches Unternehmen angewiesen ist: ASML. Der Konzern ist der einzige weltweit, der in großem Stil Lithografiesysteme herstellen kann – also Maschinen, die bei der Produktion von Halbleiterchips in der Elektronikindustrie benötigt werden. Damit ist ASML der wertvollste Technologiekonzern Europas.
Seit Jahren tobt zwischen den Großmächten USA und China ein Wirtschaftskrieg um die globale Halbleiterindustrie. Vor allem deshalb, weil die meisten und fortschrittlichsten Chips auf der Insel Taiwan produziert werden. Sie kommen in fast jedem elektronischen Gerät zum Einsatz. Noch.
Denn Xi Jinping droht seit Jahren damit, Taiwan notfalls mit Gewalt mit China „wiederzuvereinen“ – und sollte die chinesische Halbleiterindustrie irgendwann so weit sein, dass sie nicht mehr auf Produkte aus Taiwan angewiesen ist, könnte er diese Drohung wahr machen; so zumindest die Argumentation der US-Regierung und ihrer Verbündeten.
Um das zu verhindern, verabschiedeten die USA unter Präsident Joe Biden 2022 den sogenannten Chips Act – ein de-facto Exportverbot für fortschrittliche Halbleiterchips nach China. Und weil sich die Niederlande unter Rutte als US-Verbündeten sehen, schlossen sie sich dem Embargo kurzerhand an. Mit Beginn des Jahres erhält somit auch ASML keine Lizenzen mehr für den Export von Lithographiesystemen nach China.
Xi serviert Rutte Zuckerbrot - und droht mit der Peitsche
In Peking ist man sich bewusst, dass man an dem Embargo wohl kaum rütteln können wird. Doch Xi und Li wollen zumindest erwirken, dass es ASML gestattet wird, weiterhin Reparaturen für jene Maschinen anzubieten, die sich in China befinden. Vor dem Inkrafttreten des Embargos kauften chinesische Firmen so viele ASML-Maschinen, dass die Niederlande 2023 in der Liste der wichtigsten Importnationen Chinas noch vor Deutschland auf Platz sieben katapultiert wurden.
Doch wo Xi Zuckerbrot serviert, ist die Peitsche meist nicht weit. Und so ließ er es sich nicht nehmen, Rutte für die Entscheidung zu kritisieren. Das Embargo führe „nur zu Spaltung und Konfrontation“, so Xi. Auch das chinesische Volk habe ein Recht auf Entwicklung. Und selbst wenn: „Keine Macht kann Chinas wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt aufhalten.“
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