Chinas Antwort auf den Kindermangel: Künstliche Intelligenz

Chinas Antwort auf den Kindermangel: Künstliche Intelligenz
Mit Künstlicher Intelligenz will Peking der schrumpfenden Zahl an Arbeitnehmern entgegenwirken. China hat dabei gewaltige Startvorteile – doch es gibt Hindernisse

Von Marco Xia und Johannes Arends

Die Forderung der chinesischen Regierung ist klar: Wir brauchen mehr Babys. Chinas Bevölkerung ist nun zwei Jahre in Folge geschrumpft. 2023 lebten noch 1,415 Milliarden Menschen im Land, fast zwei Millionen weniger als im Jahr zuvor. 

Trotz finanzieller Anreize für Mütter wirken die Effekte der seit nahezu zehn Jahren abgeschafften Ein-Kind-Politik bis heute nach – und führten dazu, dass Indien neuerdings das bevölkerungsreichste Land der Erde ist. Eine tiefe Kerbe im chinesischen Nationalstolz.

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Eine weitere Folge dieses Trends: Chinas Bevölkerung altert viel schneller, als es sich die Staatsführung erwartet hatte. In nur 20 Jahren soll die Anzahl der Menschen über 60 fast ein Drittel der Bevölkerung ausmachen. Dabei ist eine junge Arbeiterschaft essenziell für das Wirtschaftswachstum. 

Der demografische Wandel stellt daher eine der größten Herausforderungen für die Volksrepublik dar. Ein berühmter Satz unter Experten: „China wird alt, bevor es reich wird“. Gerade deshalb setzen Präsident Xi Jinping und seine Partei ihre Hoffnungen auf eine Lösung: Künstliche Intelligenz (KI).

Mit über 700 Mio. Smartphone-Nutzern und uneingeschränkter digitaler Überwachung sammelt Chinas Regierung mehr Daten als jede andere

China will bis 2030 den Weltmarkt dominieren, vor allem den großen Rivalen USA unbedingt ausstechen. Chinesische Technologiefirmen wie Tencent, Alibaba oder Baidu besitzen bereits eigene KI-Forschungsabteilungen, die immens vom Staat gefördert werden – und einen gewaltigen Vorteil haben: Denn mit über 700 Millionen Smartphone-Nutzern im Land und uneingeschränkter digitaler Überwachung sammelt Chinas Regierung mehr Daten als jede andere. Daten, die für die KI essenziell sein können, um sich durch maschinelles Lernen stetig zu verbessern und dazuzulernen.

Mit Robotik und KI will Chinas Führung in Zukunft viele Jobs automatisieren und damit der schrumpfenden Arbeiterschaft entgegenwirken. Schon heute hat Künstliche Intelligenz großen Einfluss auf den Alltag in China.

So ist Peking eine von zehn Städten in China, in denen der Konzern Baidu sogenannte „Robotaxis“ anbietet. Der autonom fahrende Taxidienst nennt sich Apollo Go und fährt täglich Fahrgäste durch die Stadt – ganz ohne Fahrer. Bis 2040 sollen zwölf Millionen dieser selbstfahrenden Fahrzeuge hergestellt werden.

Auch in der Bildung, Unterhaltungsindustrie und im Gesundheitswesen findet KI in China bereits Anwendung. Heiß erwartet wurde im Sommer letzten Jahres die Veröffentlichung des chinesischen Chatbots Ernie als Alternative zum US-amerikanischen Rivalen ChatGPT – der in China verboten ist.

Neun der zehn weltbesten KI-Forschungseinrichtungen befinden sich schon heute in China

Chinesische KI ist auf dem Vormarsch: Laut dem AI Index Report, der 2023 von der Universität Stanford veröffentlicht wurde, befinden sich neun der zehn weltbesten KI-Forschungseinrichtungen in China. Daneben taucht nur das Massachusetts Institute of Technology (MIT) aus den USA in der Liste auf.

Doch es gibt auch Hindernisse. Das US-Embargo auf den Export von Halbleiterchips nach China schadet der Industrie enorm, da sie auf ausländische Produkte angewiesen war. Zudem hat Chinas Regierung festgelegt, dass sich KI-generierte Inhalte an „sozialistische Werte“ halten müssen. Kurz gesagt: Eine KI-Zensur.

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Nicht zuletzt führen die politischen Spannungen mit dem Westen dazu, dass das Misstrauen gegenüber chinesischen KI-Anbietern dort groß ist. Der Erfolg von Chinas KI-Branche wird also auch davon abhängen, ob sie den Rest der Welt von sich überzeugen kann.

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